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Der Hexer - NR24 - Der Zug der in den Alptraum fuhr

Der Hexer - NR24 - Der Zug der in den Alptraum fuhr

Titel: Der Hexer - NR24 - Der Zug der in den Alptraum fuhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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was macht’s? Europa läuft uns nicht davon.« Er lächelte, blickte erst auf sein Billett, verglich die Wagennummer mit den in goldenen Lettern gemalten Zahlen auf den Waggons und deutete auf eines der letzten Abteile. »Dort«, sagte er.
    »Ich... begleite Sie noch ein Stück«, sagte ich hastig und fügte mit einem nicht einmal geschauspielerten, verlegenen Lächeln hinzu: »Wenn ich darf, heißt das.«
    Codys Stirnrunzeln vertiefte sich, aber er nickte auch diesmal, wenngleich auch nicht mehr ganz so herzlich wie zuvor. Aber wahrscheinlich war er lästige Fans, die wie Teer an seinen Fersen klebten, gewohnt.
    Meine Gedanken überschlugen sich schier, während ich Cody und den anderen folgte und in den Zug stieg. Ich mußte mit Sitting Bull sprechen, allein! Die blitzartige Vision, die ich gehabt hatte, konnte kein Zufall gewesen sein!
    Aber Sitting Bull gab mir nicht einmal die Spur einer Chance.
    Mit einer Geschicklichkeit, für die ich ihn unter anderen Umständen sicherlich bewundert hätte, wich er mir aus und brachte es stets fertig, entweder Annie, Bodine oder Cody zwischen sich und mir zu haben. Als wir das Abteil erreichten, das Cody gemietet hatte, setzte er sich an einen Platz am Fenster und blickte starr hinaus.
    Beinahe verzweifelt versuchte ich, seinen Blick im verzerrten Spiegelbild seines Gesichtes auf der Scheibe zu erhaschen. Wenn es mir wenigstens gelang, ihn einmal anzusehen, konnte ich vielleicht auf geistiger Ebene in Kontakt mit ihm treten.
    Mit ihm oder dem Ding, das sich in seinem Bewußtsein eingenistet hatte...
    Aber es gelang mir nicht. Länger als eine halbe Stunde lungerte ich in Codys Abteil herum und erfand immer neue Ausreden, nicht gehen zu müssen. Buffalo Bills Geduld neigte sich sichtlich dem Ende zu, und auch das beständige Grinsen auf Bodines Gesicht wurde immer eisiger, aber es gelang mir einfach nicht, an Sitting Bull heranzukommen.
    Ich war nahe daran, ihn schlichtweg vor aller Ohren auf mein Erlebnis anzusprechen, und sei es nur, um irgendeine Reaktion zu provozieren, als von draußen ein schriller Pfiff in den Wagen scholl.
    Buffalo Bill Cody atmete eindeutig erleichtert auf. »Das war das Signal, Craven«, sagte er. Daß er mich plötzlich nicht mehr mit meinem Vornamen ansprach, entging mir keineswegs, aber ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt.
    »Welches Signal?« fragte ich dümmlich.
    Cody lächelte. »Das Signal, daß alle, die nicht mitfahren wollen, den Zug verlassen müssen«, erklärte er geduldig.
    Ich spielte den Überraschten, zauberte ein noch schwachsinnigeres Grinsen auf meine Lippen und beugte mich vor. Ohne auf Codys unwilliges Grunzen zu achten, ergriff ich Annies Arm und hauchte ihr einen perfekten Handkuß auf den rechten Handrücken.
    »Eine alte europäische Sitte«, erklärte ich. »Sie werden sich daran gewöhnen müssen.« Annie Oakley starrte mich an, aber dann lächelte sie, und auch Cody schluckte die zornige Bemerkung, die ihm sichtlich auf den Lippen lag, herunter.
    »Lassen Sie mich Ihnen zum Abschied noch einmal die Hand schütteln«, bat ich – womit ich mir wahrscheinlich auch noch den letzten Rest Sympathie verspielte, die Cody noch für mich empfinden mochte.
    Aber ich gab ihm keine Gelegenheit, zu protestieren, sondern packte seine Rechte, schüttelte sie übertrieben heftig, fuhr herum, verfuhr mit Bodine ebenso und wandte mich schließlich an Sitting Bull.
    Der Indianer machte keine Anstalten, auch nur den kleinen Finger zu rühren, aber selbst das war mir mittlerweile egal. Jegliche Regeln von Höflichkeit und Anstand über Bord werfend, griff ich nach seiner Hand.
    Jedenfalls wollte ich es.
    Aber ich führte die Bewegung nicht zu Ende. Mein Blick fiel auf das Spiegelbild von Sitting Bulls Gesicht in der Scheibe.
    Oder dem, was dort war, wo eigentlich sein Gesicht sein sollte.
    Die Vision war deutlicher als die erste.
    Und tausendmal schrecklicher.
    Ich sah...
    eine Ebene.
    Feuer, das die Nacht wie tausend kleine Seen aus rotleuchtendem Blut erhellte.
    Rauch, fettiger, schwarzer Qualm.
    Ein Gesicht, schmal und zerbrechlich und mit großen, grundlosen Augen, in denen ein Ausdruck namenloser Qual geschrieben stand.
    Ich hörte...
    Schreie.
    Die gellenden Todesschreie von Menschen und Tieren.
    Gewehrfeuer.
    Dann das Heulen von Wölfen.
    Ein Tappen und Hecheln und ein Geräusch wie von schweren Körpern, die durch Blattwerk und Geäst brachen.
    Und ich roch...
    Den Gestank von Pulver und Blut.
    Den Odem von Tod und

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