Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
suchte. Alle anderen Mitglieder dieser verzweifelten Expedition zum Ende der Welt waren Elitekämpfer, die besten der besten, wie auch Laguerre selbst.
Aber er sprach den scharfen Verweis, der ihm auf der Zunge lag, nicht aus. Im Grunde hatte Devereaux nur ausgesprochen, was er insgeheim dachte. Was sie alle insgeheim dachten. Diese lichtfressende Schwärze dort vor ihnen war nur noch mit Zauberei zu bezeichnen.
»Wahrscheinlich ist es nur ein Trick dieser Hunde«, murmelte er, ohne daß es ihm allerdings gelang, seine Stimme überzeugend klingen zu lassen. »Es wird ihnen nichts nutzen. Und jetzt still.«
Er machte eine befehlende Geste, um seine Worte zu unterstreichen, lächelte Devereaux aber noch einmal flüchtig zu, und wandte sich dann wieder dem Berghang und dem unheimlichen Schatten zu.
Es war beinahe die letzte Bewegung seines Lebens – und tatsächlich die letzte, die Devereaux sah.
Die Gestalt tauchte wie ein Schatten über ihnen auf; ein Dämon, den die Nacht ausgespien hatte und der lautlos und schnell wie der Tod war. Laguerre fand gerade noch Zeit, erschrocken zusammenzufahren und nach seiner Waffe zu greifen, da blitzte es über ihm auf. Der Säbel des schwarzgekleideten Drachenkriegers beschrieb einen engen, unglaublich raschen Halbkreis, trennte Devereaux’ Kopf von den Schultern und hackte noch in der gleichen Bewegung nach Laguerre. Der Templer warf sich verzweifelt herum; trotzdem zerfetzte die rasiermesserscharf geschliffene Klinge sein Wams und das Kettenhemd darunter und hinterließ eine tiefe, schmerzhafte Wunde in seiner Schulter. Der Templer brüllte vor Schmerz und Schrecken, kam endlich auf die Füße und parierte den blitzschnell nachgesetzten Hieb des Angreifers mit seiner eigenen Klinge.
Es war, als hätte er auf Stahl geschlagen. Sein eigenes Schwert, ungeschickt und viel zu schnell gehoben, wurde ihm aus der Hand geprellt, und der dumpfe Schmerz zuckte bis in seine Schultermuskeln hinauf. Aber wenigstens nahm er dem Hieb genug von seiner Kraft, so daß die Klinge ihn zwar noch traf und zu Boden schleuderte, sein Panzerhemd aber nicht mehr durchschnitt.
Laguerre reagierte, ohne zu denken, blindlings den Reflexen und Reaktionen gehorchend, die er sich selbst im Laufe endloser Jahre antrainiert hatte. Als der Angreifer herumfuhr und sein Schwert mit beiden Händen hob, um den vermeintlich hilflos vor ihm Liegenden zu töten, stieß er ihm den linken Fuß vor das Knie, vollführte mit dem anderen Bein eine blitzartige, scherenförmige Bewegung und hakte seinen Fuß hinter den des Schwarzgekleideten. Der Krieger taumelte. Seine eigene Bewegung, mit der er Schwung geholt hatte, um Laguerre endgültig zu erledigen, wurde ihm zum Verhängnis.
Er fiel. Er stürzte nicht vollends, sondern sank nur auf die Knie herab und fand im letzten Moment mit den Händen Halt an einem Felsen, aber der Augenblick reichte Laguerre, um auf die Füße zu kommen und mit einem Sprung hinter ihm zu sein.
Die Gedanken des Templers überstürzten sich. Er hätte sich bücken und Devereaux’ Schwert aufheben können, aber seine rechte Schulter war noch immer verkrampft und halb gelähmt von der ungeheuren Wucht, die im Schwerthieb des Angreifers gesteckt hatte. Er wußte, daß er dem Mann mit dieser Waffe nicht gewachsen war. Wer immer sich unter dem schwarzen Mantel verbarg, mußte die Körperkräfte eines Herkules haben. Aber Laguerre hatte nicht nur mit dem Schwert zu kämpfen gelernt...
So kompliziert dieser Gedankengang gewesen war, er hatte nur den Bruchteil einer Sekunde in Anspruch genommen. Noch während der Drachenkrieger mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht kämpfte, schlang Laguerre den linken Arm von hinten um seinen Hals und tastete mit den Fingerspitzen nach dem Kinn, das sich unter dem schwarzen Stoff der Gesichtsmaske verbergen mußte; gleichzeitig legte sich sein rechter Arm um den Schädel des Kriegers, die Armbeuge gegen die rechte, die gespreizten Finger gegen die linke Schläfe des Mannes gepreßt.
Der Krieger bäumte sich auf, als er begriff, was Laguerre tat. Seine Hände ließen das Schwert fallen, tasteten nach oben, zerrten einen Moment lang vergeblich an Laguerres Handgelenken und glitten weiter, auf der Suche nach seinem Gesicht und den Augen.
Sie erreichten sie nie.
Laguerre atmete tief ein, konzentrierte sich nur auf seine Hände und stieß einen gellenden Schrei aus. Jedes bißchen Kraft, das in seinem Körper war – und es war eine Menge! – lag in dieser
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