Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
neben mir lag, zusammengekrümmt wie ein Fötus und dieses furchtbare Buch an die Brust gepreßt, das ihr die Lebenskraft aussaugte wie ein Vampir seinem Opfer das Blut. Andaras Amulett, das wenige Inches neben meiner ausgestreckten Hand lag und leuchtete wie ein gefangener Stern.
Und plötzlich wußte ich, was ich zu tun hatte.
Necron war meinem Blick gefolgt, und jetzt sah auch er den Anhänger. Seine Augen flammten auf. »Gib es mir!« flüsterte er. Seine Stimme vibrierte vor Gier. Speichel rann aus seinen Mundwinkeln. Auf der Klinge des Dolches, den er noch immer in der Hand hielt, glitzerte Blut. Shannons Blut.
»Gib es mir!« kreischte Necron. »Es gehört mir. Gib mir das SIEGEL!«
»Ich gebe es dir, Necron«, sagte ich. »Hier! Fang!«
Und damit warf ich das SIEGEL: mit aller Gewalt, die mir der Zorn gab. Wie ein kleines, goldgrünleuchtendes Geschoß flog es auf Necron zu, prallte gegen seine Schulter und platschte in die glitzernde schwarze Masse hinab, um darin zu versinken, nur einen Schritt vom Ufer entfernt.
Necron brüllte vor Wut, fuhr herum und sprang in den schwarzen Sumpf hinein. Er versank bis über die Knie, fand aber sofort wieder festen Grund unter den Füßen und beugte sich vor, um mit den Händen in der teerartigen Masse herumzusuchen.
Und genau in diesem Moment explodierte der See.
* * *
Das Feuer war längst erloschen, aber ich hockte noch immer in der gleichen Haltung da, in der ich mich über Priscylla geworfen hatte, erstarrt und wie gelähmt. Das ungeheure Tosen und Brüllen war verstummt, und der See, in dem sich die schwarze Brut Shub-Nigguraths gesuhlt hatte, war zu einer zerborstenen Ebene aus toter Schlacke geworden. Die Luft stank unerträglich, aber sie war jetzt wenigstens nicht mehr so heiß, daß ich das Gefühl hatte, flüssiges Feuer zu atmen. Das Amulett lag neben meiner ausgestreckten Hand. Es hatte getan, wozu es bestimmt gewesen war, und war zu mir zurückgekehrt, nachdem sein Werk der Zerstörung beendet war.
Ich hatte gesiegt.
Irgendwie mogelte sich dieser Gedanke durch den Wust aus Schmerz und Entsetzen, der sich hinter meiner Stirn gebildet hatte.
Gesiegt.
Das Wort klang bitter. Wie böser Spott.
Gesiegt...
Aber war es wirklich ein Sieg gewesen? Necron war tot, seine Drachenburg vernichtet, Shub-Nigguraths Körper zerstört. Priscylla war frei und das NECRONOMICON – das echte NECRONOMICON – in meiner Hand.
Ja, ich hatte gesiegt. Alles war vorbei, der entsetzliche Kampf ausgestanden.
Und ich hatte einen entsetzlichen Preis dafür bezahlt. Shannon war tot. Shadow war tot. Priscyllas Geist war tiefer denn je verstrickt in die klebrigen Spinnfäden finsterer Magie, und ich –
O ja, ich hatte gesiegt. Und ich hatte bezahlt.
Ich hatte gesiegt, aber ich hatte zahllose Leben gegeben, um eines zu nehmen. Ich hatte bezahlt. Nicht einmal ich – andere. So, wie fast immer andere den Preis bezahlten, der mir zugestanden hätte. Einen Preis, der zu hoch war.
Viel zu hoch.
E N D E
Und in vierzehn
Tagen lesen Sie:
Ich war am Ziel, endlich am Ziel! All die Entbehrungen der letzten Wochen, all die furchtbaren Strapazen und todbringenden Gefahren waren letztlich von Erfolg gekrönt.
Ja, ich hatte Necron besiegt und Priscylla aus seinen Klauen befreit. Doch um welchen Preis!
Sie lebte – und war doch tot. In den letzten Minuten seines unheiligen Lebens hatte sich Necron grausam gerächt.
Priscyllas Geist war mit dem des NECRONOMICON verschmolzen. Jeder Versuch, das Buch des Bösen zu vernichten, hätte sie zu einem Schicksal verdammt, das schlimmer war als der Tod. Und während ich verzweifelt nach einem Ausweg suchte, den es nicht geben konnte, begann das NECRONOMICON auch von ihrem Körper Besitz zu ergreifen...
Die Macht des NECRONOMICON
Weitere Kostenlose Bücher