Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
einen, blitzartigen Bewegung, in der er die Arme gegeneinander bewegte.
Unter dem schwarzen Stoff in seinen Händen erscholl ein Laut, als zerbreche ein trockener Ast. Der Körper in Laguerres Armen erschlaffte.
Aber nur für einen Moment...
* * *
Oben, im Hauptturm des kleinen Wachkastells, das der Drachenburg wie ein zwergenwüchsiger Wächter vorgelagert war, bäumte sich Bruder Hayworthy plötzlich auf, als hätte er den Stich eines weißglühenden Dolches gespürt. »Um Gottes willen!!!« kreischte er, mit einer Stimme, die vor Entsetzen schier überschnappte. »Ruft die Männer zurück! RUFT SIE ZURÜCK!!!«
* * *
Es war schwer; unendlich schwer.
Im ersten Moment spürte ich nichts; nichts außer Kälte und der widerlichen Feuchtigkeit der gemauerten Wand in meinem Rücken, aber beides sehr viel intensiver, als normal gewesen wäre. Dann...
Es war, als erwache ich aus einem tiefen Schlaf und öffnete die Augen, aber wenn, dann tat ich es in einem Raum, der vollkommen finster war. Trotzdem hatte ich das Gefühl, nicht mehr in meiner Zelle zu sein, sondern...
irgendwo
gefangen und doch frei
eingesperrt in einen kerker aus unendlichkeit
gefesselt in einem netz das aus den stricken des Wahnsinns gewoben war und in dessen herzen die spinne einsamkeit hockte lauernd und gierig und mit gigantischen fängen
eine spinne mit necrons gesicht
Mit einem Schrei fuhr ich hoch und krachte erneut gegen die Decke. Diesmal spürte ich den Schmerz überdeutlich, und trotzdem genoß ich ihn beinahe, denn er holte mich endgültig in die Wirklichkeit zurück. Stöhnend sank ich zusammen, preßte die Hand gegen meinen schmerzenden Schädel und fühlte ein wenig Blut unter den Fingern. Gleichzeitig fuhr ich mir mit der anderen Hand immer und immer wieder durch das Gesicht. Ich wurde das Gefühl, mich besudelt zu haben, nicht los. Es war, als wäre das widerwärtige Netz Wirklichkeit gewesen, und ich glaubte die stinkenden klebrigen Fäden noch immer auf meiner Haut zu spüren. Und war da nicht ein leises, aber furchtbar widerwärtiges Rascheln und Raunen, dicht neben meinem linken Ohr? Und dann die Berührung von etwas Weichem, Dünnem, Flaumigem...
Ich mußte all meine Kraft aufbieten, um nicht abermals, und diesmal endgültig, dem Wahnsinn zu verfallen. Ich ballte die Fäuste, preßte die Kiefer so fest aufeinander, daß meine Zähne zu schmerzen begannen, und spannte jeden einzelnen Muskel in meinem Körper an, so fest ich nur konnte.
Es half.
Ganz langsam zogen sich die grauen Spinnweben aus meinem Geist zurück. Mein Herz hörte auf, wie ein außer Kontrolle geratenes Hammerwerk zu arbeiten, und die Geräusche, die ich hörte, waren jetzt nur noch das Rauschen meines eigenen Blutes und meine eigenen, schnellen Atemzüge. Länger als zehn Minuten saß ich so da, angespannt bis zum Zerreißen, aber wieder in der Wirklichkeit zurück, und je mehr sich mein aufgewühltes Inneres beruhigte, desto lauter wurde auch die dünne gehässige Stimme in meinen Gedanken, die mir zuflüsterte, daß ich mich – nicht unbedingt zum ersten Mal, seit ich die Rolle des Hauptdarstellers in dieser verrückten Geschichte übernommen hatte – wie ein kompletter Idiot benommen hatte.
Herr im Himmel, dies hier war Necrons Hauptquartier! Das Herz seiner Macht! Und er war ein Magier, dessen Macht ich mir nicht einmal im Traume vorzustellen vermochte!
Und ich hatte mir wirklich eingebildet, ihn mit meinen bescheidenen eigenen Fähigkeiten auf diesem Gebiet übertölpeln zu können! Ich! Wo es nicht einmal Shadow gelungen war, sich mit all der Kraft einer El-o-hym, die ihr zur Verfügung stand, aus seinem Griff zu befreien! Natürlich wußte Necron um meine und Shadows Fähigkeit, und ebenso natürlich hatte er Vorsorge getroffen, daß sie uns nichts nutzten. Er hatte mich ja sogar gewarnt, keinerlei Magie anzuwenden, solange ich sein »Gast« war. Wahrscheinlich, dachte ich düster, hatte ich Glück, daß ich überhaupt noch lebte.
Das Geräusch des Riegels riß mich endgültig in die Wirklichkeit zurück. Die Tür wurde geöffnet, und vor dem Hintergrund des düster-rot erleuchteten Ganges erschien der schwarze Schatten eines Drachenkriegers.
Ich stand auf, ehe der Mann in die Verlegenheit kam, mich aus meinem Gefängnis herauszerren zu müssen, duckte mich unter der niedrigen Tür hindurch und blickte das schwarzvermummte Gesicht vor mir fragend an. »Ist die Zeit schon vorüber?« fragte ich.
Ich hatte nicht ernsthaft damit
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