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Der Hexer - NR32 - Der Koloss von New York

Der Hexer - NR32 - Der Koloss von New York

Titel: Der Hexer - NR32 - Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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dem Schönen (scheinbar) zerschlagen wurde. Doch die Tempelritter bestanden weiter und haben heute in fast allen Ländern der Erde Logen. Ihr innerer Zirkel besteht aus den sogenannten MASTERN, die je ein »Spezialgebiet« beherrschen, z. B. der Storm-Master die Macht des Windes. Ihr oberster Ordensherr ist Jean Balestrano.

    * * *

    Es war sehr dunkel. O’Connellys Karbidlampe warf einen schwankenden Kreis blasser Helligkeit auf das Kopfsteinpflaster, aber alles, was jenseits der flackernden Grenze lag, die im gleichen Tempo vorrückte wie der fast siebzigjährige Ire, schien dafür doppelt dunkel. Dabei, dachte O’Connelly mißmutig, hätte es eigentlich recht hell sein müssen, denn wenn er dem Kalender – und dem Nörgeln seiner Frau, die in Vollmondnächten noch empfindlicher und grantiger wurde, als sie ohnehin schon war – glauben konnte, dann war Vollmond; und O’Connelly hatte keinen einzigen vernünftigen Grund, an einem von beiden zu zweifeln.
    Was nichts daran änderte, daß es stockfinster war. Und das, obgleich sich am Himmel nicht die kleinste Wolke zeigte. O’Connelly blieb stehen, setzte die Karbidlampe vorsichtig auf einen Mauervorsprung, rieb die Hände dicht vor dem Gesicht aneinander und blies hinein. Es war kalt, der Jahreszeit zum Trotz, und seine Finger waren klamm und taten ein wenig weh; aber das taten sie in letzter Zeit eigentlich immer. Die Gicht hatte ihn nach siebzig Jahren nun doch eingeholt und gönnte ihm schon jetzt einen kleinen Vorgeschmack auf das, was er in den letzten Jahren seines Lebens zu erwarten hatte.
    Irgendwo, auf der anderen Seite der massigen Reihe geduckter schwarzer Schatten, zu denen die Lagerschuppen in der Nacht zusammengeschmolzen waren, erscholl der klagende Ruf eines Nebelhorns, kurz darauf antwortete ein gleichartiger, aber sehr viel leiserer Laut vom offenen Meer her auf das Geräusch, und noch bevor es verklang, begann irgendwo in der Stadt eine Glocke zu schlagen. Eins... zwei... drei... O’Connelly zählte die Schläge aufmerksam mit, obwohl er erst vor einer halben Stunde auf seine Taschenuhr geblickt hatte und auch ohne sie ziemlich genau gewußt hätte, wie spät es war. Zwölf. Mitternacht. Der beinahe kahlköpfige Schotte lächelte flüchtig in sich hinein und fügte in Gedanken das Wort: Geisterstunde hinzu. Gleichzeitig huschte der Blick seiner trübe gewordenen Augen über die finsteren Silhouetten der Lagerschuppen, die sich auf der anderen Seite der Straße erhoben wie die Wehrmauer einer bizarren, mittelalterlichen Burg.
    Dahinter, nur noch als Schemen vor der Farbe der Nacht zu erahnen, reckten sich die Skelette der modernen Krananlagen in den Himmel, die die Docks in den letzten Jahren zu überwuchern begonnen hatten und unaufhörlich weiterwuchsen. Manche von ihnen sahen aus wie drohend erhobene Knochenhände. Ja, dachte O’Connelly spöttisch. Für jemanden, der romantisch – oder ängstlich – veranlagt war, mochte dieses Wort gerade in einer Umgebung wie dieser alles andere als beruhigend wirken. Und dazu kamen noch die Gerüchte, die sich in den letzten Monaten hartnäckig hielten und ihren Ursprung irgendwo in diesem Viertel hatten. Ja, man konnte schon anfangen, an Geister und ähnlichen Humbug zu glauben, hier an den Docks, wenn man das Mitternachtsschlagen hörte.
    Was O’Connelly anging, hielt er nicht sehr viel von solcherlei Gerede – genau genommen gar nichts. Ganz genau genommen hielt er alle, die auch nur einen Furz auf Gerede von Geistern und sonderbaren Lauten gaben, für leicht bescheuert. Sicher – in den letzten Wochen hatten sich sonderbare Dinge hier getan, und auch O’Connelly hatte die Laute gehört, manchmal sogar eine Bewegung gesehen, ein Huschen in der Nacht, das immer gerade dann verschwand, wenn er genauer hinzusehen versuchte. Aber die sieben Jahrzehnte, die er jetzt auf dem Buckel hatte, hatten vielleicht seine Augen trübe und seine Schultern krumm werden lassen und ihm die Gicht und Hämorrhoiden und noch einige andere Zipperlein beschert – sein gewohnt logisches Denken hatten sie nicht beeinträchtigt. O’Connelly maßte sich nicht an, eine Erklärung für all die sonderbaren Dinge zu finden, die in letzter Zeit hier vor sich gingen – aber das bedeutete nicht, daß es nicht eine gab. Ratten, zum Beispiel, oder eine der zahllosen Banden, die sich seit Bestehen des Hafens schon fast traditionell hier herumtrieben... es gab tausend mögliche Erklärungen, und jede einzelne davon war logischer

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