Sündenzeit
PROLOG
Narragansett Bay, Rhode Island
Die See war wunderschön, und er fühlte sich hier wie im Himmel.
Eddie Ray spürte die frische Luft auf den Wangen, die vom Wind bald gerötet sein würden. Es war Winter, aber hier draußen vor der Küste von Newport in Rhode Island blieb das Wasser trügerisch ruhig. Er liebte das Meer zu dieser Jahreszeit, wenn es so schnell seine Stimmungen wechselte. Dumm war er nicht. Er würde sich nie vorsätzlich in einen gefährlichen Sturm begeben. Aber er hatte sein Boot bereits mehr als einmal durch einen heftigen Nordostwind gebracht, und er liebte die aufgewühlten Wellen, den Wind und selbst die Kälte, die mit dem strömenden Regen kam und sich in alle Knochen fraß.
Aber heute war es so friedlich! Klare, kühle Luft, es herrschte eine Temperatur um die fünf Grad. Eine leichte Brise wehte, gerade genug, um die Segel zu blähen und die „Sea Maiden“ voranzutreiben. Sie streifte durchs Wasser, als würde sie durch die Lüfte segeln. Dies war sein Lieblingsboot. Er hatte sich dessen Namen sogar auf den Arm tätowiert.
Natürlich hätte er die Sea Maiden nicht nehmen müssen. Sie war ein ziemlich großes Schiff. Diese neureichen Jünglinge aus der Stadt, die in Rhode Island gern mit diesem Schmuckstück protzten, hätten es für einen einzigen Passagier sicher nicht ins Wasser gelassen.
Für einen sehr merkwürdigen Passagier.
Eddie saß am Steuer und blickte sich um. Er hatte den Mann um Punkt zwölf an Bord genommen, so wie er es gewünscht hatte. Um halb drei würden sie wieder zurück im Hafen sein, denn sein Partner Sean O’Riley wollte um vier mit seiner Frau nach Irland aufbrechen. Eddie hatte fest vor, rechtzeitig von Bord zu kommen, um sich von ihnen zu verabschieden. Es war alles ziemlich aufregend. Sean hatte sein Geburtsland schon seit Jahren nicht mehr besucht.
Und seit seinen Flitterwochen mit Amanda in der Karibik war er auch nicht mehr gereist.
Seine neue Frau. Die „Trophäe“, wie Kat, Seans Tochter, sie nannte. Nun, wenn ein Mann eine Frau heiratete, die nur halb so alt war wie er, dann musste er schon mit so einer Reaktion rechnen. Andererseits hatte Sean O’Riley ihn immer an einen Piraten erinnert. Kein richtiger Pirat. Eher die Sorte, die man aus Filmen kannte. Captain Blood. Heldenhaft, forsch und entschlossen. Sean würde schon dafür sorgen, dass in seinem Haus Frieden herrschte. Eddie sah ihn förmlich vor sich, wie er sich den Reibereien dort genauso entgegenstellte wie dem Nordwind: beide Beine fest auf dem Boden, immer die Balance haltend, die Hände entschlossen in die Hüften gestemmt.
In letzter Zeit war Kat nicht oft zu Hause, da sie aufgrund ihrer Musikkarriere viel reiste. Sie hatte wirklich Talent, und alle waren unheimlich stolz auf sie. Sean konnte eben einfach nicht allein leben, er brauchte Gesellschaft. Eine Frau, die sich um all die häuslichen Dinge kümmerte, mit denen er sich nicht so gern beschäftigte. Kats Mutter war vor langer Zeit gestorben, und jetzt, wo Kat kaum noch da war, vermisste Sean die familiäre Gemeinschaft. Er brauchte mehr als nur die Gesellschaft von seiner altjüngferlichen Tante, so entzückend Bridey auch sein mochte. Clara und Tom, die sich um das große alte Haus kümmerten, reichten ihm nicht. Marni, die mit Eddies und Seans neuem jungen Geschäftspartner Cal verheiratet war, fungierte immer wieder gern als Gastgeberin für die von ihnen veranstalteten Geschäftsessen, aber Sean hatte eben etwas anderes gebraucht. Deshalb Amanda.
Eddie fand, was immer Sean glücklich machte, war gut. Und wenn Amanda Sean guttat, dann war auch Eddie zufrieden – obwohl allein der Himmel wusste, warum sie Sean so guttat. Eddie konnte sich nur vorstellen, dass sie wohl im Bett abging wie eine Rakete. Denn im Kopf schien sie nicht besonders viel zu haben. Außerdem versuchte sie auch nicht wenigstens ansatzweise, mit Kat klarzukommen. Für Sean blieb seine Tochter jedoch sein Sonnenschein. Sean war nicht nur Eddies Partner, sondern auch sein bester Freund. Sie hatten zusammen die raue See des Lebens durchschifft, in heftigen und friedlichen Zeiten. Sie hatten Gutes wie Schlechtes, Glück und Tragik gemeinsam erlebt. Wenn Sean also Freude an seinem gegenwärtigen Trip hatte, dann konnte Eddie nur zufrieden sein.
Für dieses Weihnachtsfest hatte Eddie sich für seinen Freund etwas ganz Besonderes ausgedacht. Er wollte Sean etwas geben, auf das er schon immer scharf gewesen war.
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