Der Hexer - NR49 - Hochzeit mit dem Tod
bereits erwartete. Nach Howards unerwartetem Ausfall übernahm sie Grays Rolle als Brautführer, der sich wiederum bereit erklärt hatte, Priscylla zu führen. Aber auch diese protokollarischen Feinheiten waren mir im Moment herzlich egal.
»Was geht hier vor?« fauchte ich, so laut, daß Mrs. Winden erschrocken zusammenfuhr und mir einen warnenden Blick zuwarf. »Was zum Teufel bedeutet das?« fragte ich mit einer wütenden Kopfbewegung auf die Kirche; allerdings etwas leiser als beim ersten Mal. Es war ja nun wirklich nicht nötig, daß die Scharen von Neugierigen mitbekamen, was hier vorging. Außerdem wäre ich froh gewesen, es selbst zu wissen.
»Was soll das, Mary?« fragte ich zum dritten Mal. »Ich wollte nicht hier heiraten, das wissen Sie genau! Wer hat angeordnet, daß die Trauung hier stattfinden soll?«
»Miss Priscylla«, antwortete Mary.
»Priscylla?« Ich starrte sie ungläubig an. »Aber...«
»Es war ihr sehnlichster Wunsch«, unterbrach mich Mary. »Ich konnte ihn ihr einfach nicht abschlagen, und Dr. Gray auch nicht.«
»Gray?« wiederholte ich stirnrunzelnd. »Der gehört also auch zu diesem kleinen Komplott, wie?«
»Seien Sie nicht zu streng, Robert«, sagte Mary. »Das arme Ding hat sich so gefreut, in der St. Paul’s Cathedral heiraten zu dürfen. Und als Sie dann überraschend beschlossen haben, in diese komische Kapelle zu wechseln, war sie unglaublich enttäuscht.«
Sie sah mich fast flehend an. Natürlich – wir hatten schon lange beschlossen, wenn überhaupt, dann hier zu heiraten. Und ich mußte gestehen, daß ich nicht einmal auf die Idee gekommen war, es könne Priscylla irgend etwas ausmachen, statt dessen in einer kleinen Kapelle mit dem Mann ihrer Träume liiert zu werden. Statt Wut empfand ich mit einem Male heftige Gewissensbisse.
»Warum hat sie denn nichts gesagt?« murmelte ich hilflos.
»Weil sie Sie sich beunruhigen wollte«, antwortete Mary. »Aber sie war so enttäuscht, daß es einfach nicht mehr mit anzusehen war.«
»Und da sind Sie auf die famose Idee gekommen, hinter meinem Rücken doch noch alles zu ändern«, vermutete ich.
Mary grinste. »Genau. Sie werden sehen, es wird einfach wundervoll, Robert. Und nun seien Sie kein Spielverderber und lassen Sie dem Kind die Freude.«
Spielverderber?
Gott, ich war der Letzte, der Priscylla irgend etwas abschlagen würde. Aber diese Kirche war...
Ich zwang mich, den Gedanken nicht zu Ende zu denken und schalt mich im stillen einen Narren. Es waren nur Träume, nicht mehr. Und bisher waren sie immer nur gekommen, wenn ich allein war. Jetzt war ich inmitten von Menschen, und nicht wenige davon waren meine Freunde.
Nein, ich war in Sicherheit.
Wenigstens redete ich es mir ein.
Mary schien mein Schweigen reichlich falsch zu deuten, denn sie lächelte triumphierend und sagte: »Sehen Sie, ich hatte recht. Es macht Ihnen nichts aus.«
»Nein«, murmelte ich. »Fast gar nichts.«
Dann geschah etwas, was meine Gedanken schlagartig in andere Bahnen lenkte:
Priscylla kam.
Mrs. Wilden hatte darauf bestanden, daß wir in getrennten Kutschen zur Kirche fuhren, was mich in den letzten Tagen zu etlichen spitzen Bemerkungen veranlaßt hatte. Aber als der schneeweiße Vierspänner vorfuhr und Priscylla in Begleitung Grays ausstieg, dankte ich ihr im stillen dafür.
Und nicht nur dafür. Ich wußte ja am besten, wie wenig Zeit sie gehabt hatte, Pri für diesen Moment herauszuputzen – alles in allem nicht einmal mehr eine Stunde.
Aber sie hatte wahre Wunder bewirkt in dieser Zeit.
Priscylla sah umwerfend aus.
Sie trug ein weißes, mit winzigen silbernen Blumen besticktes Brautkleid, dessen Schleppe von vier ebenfalls weißgekleideten Mädchen getragen wurde, die hinter ihr aus der Kutsche stiegen, dazu einen raffinierten Schleier, der ihr Gesicht nur erahnen ließ, ellbogenlange Handschuhe und kleine silberne Schuhe. Mit graziösen, durchaus auf Wirkung bedachten Bewegungen entstieg sie der Kutsche, blieb einen genau bemessenen Moment lang stehen, um sich gebührend bewundern zu lassen, und kam schließlich mit gemessenen Schritten auf mich zu.
Mein Herz begann zu rasen. Ich vergaß die St. Paul’s Cathedral und meine üblen Träume. In diesem Moment bestand die Welt nur noch aus Priscylla und mir.
Sie bewegte sich sehr langsam, fast majestätisch, auf das Kirchenportal zu. Und ich genoß jeden Augenblick. Endlich, endlich war es soweit. Ich hatte es geschafft. Ich war um die halbe Welt gereist, hatte mich mit
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