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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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Lächeln zu unterdrücken, als er meinen Ausruf hörte. ›Ich muss sofort zurück und nach ihr sehen. Und ich rufe Professor Bora an. Ich bitte Sie, Hugh, seien auch Sie auf der Hut. Seien Sie vorsichtig! Er hat Sie mit mir gesehen, und das scheint niemandem in diesen Tagen Glück zu bringen.‹
    ›Machen Sie sich um mich keine Sorgen.‹ Hugh sah nachdenklich auf den Schirm in seiner Hand. ›Wie viel haben Sie dem Hotelangestellten gezahlt?‹
    Ich lachte, obwohl ich immer noch ziemlich außer Atem war. ›Ja, behalten Sie ihn.‹ Wir schüttelten uns die Hände, und Hugh verschwand die Straße hinunter in Richtung seines Hotels, das nicht weit entfernt lag. Mir gefiel nicht, dass er allein ging, aber es spazierten noch mehr Leute über die Straße und unterhielten sich; und ich glaubte sowieso, dass er immer seinen eigenen Weg gehen würde. Er war diese Art Mann.
    In der Hotelhalle war nichts von dem verschreckten Angestellten zu sehen. Vielleicht hatte er gerade Schichtende gehabt, denn ein frisch rasierter junger Mann hatte seinen Platz hinter der Rezeption eingenommen. Er zeigte mir, dass der Schlüssel von Helens neuem Zimmer immer noch an seinem Haken hing, also musste sie noch bei ihrer Tante sein. Der junge Mann ließ mich das Telefon benutzen, nachdem wir sorgfältig die Kostenfrage geregelt hatten, und dann brauchte ich ein paar Versuche, bis es an Turguts Ende klingelte. Es passte mir nicht, dass ich vom Hoteltelefon aus anrufen musste, schließlich konnte es überwacht werden, aber es war im Moment die einzige Möglichkeit. Endlich hörte ich es in der Leitung klicken und dann Turguts Stimme, weit entfernt, aber gemütlich. Er meldete sich auf Türkisch.
    ›Professor Bora!‹, rief ich. ›Turgut, hier ist Paul, ich rufe aus Budapest an.‹
    ›Paul, mein lieber Freund!‹ Es kam mir so vor, als hätte ich nie etwas Lieblicheres gehört als seine ferne polternde Stimme. ›Die Verbindung scheint nicht sehr gut zu sein. Geben Sie mir Ihre Nummer, für den Fall, dass wir unterbrochen werden.‹
    Ich bekam sie vom Rezeptionisten und rief sie in den Hörer. Er rief zurück: ›Wie geht es Ihnen? Haben Sie ihn gefunden?‹
    ›Nein!‹, rief ich. ›Es geht uns gut, und ich habe einiges Neue in Erfahrung gebracht, aber etwas Grässliches ist passiert.‹
    ›Was denn?‹ Ich konnte seine Bestürzung hören. ›Ist Ihnen etwas zugestoßen? Oder Miss Rossi?‹
    ›Nein, uns geht es gut, aber der Bibliothekar ist uns gefolgt.‹ Ich hörte einen Schwall Worte, die ein komplizierter Shakespeare’scher Fluch hätten sein können, der jedoch im Rauschen der Leitung unterging. ›Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?‹
    ›Ich weiß es nicht.‹ Turguts Stimme klang jetzt ein wenig klarer. ›Haben Sie das Set immer dabei, das ich Ihnen gegeben habe?‹
    ›Ja‹, sagte ich. ›Aber ich komme nicht nahe genug an diesen Grabschänder heran, um es gebrauchen zu können. Ich glaube, er hat heute unsere Zimmer durchsucht, und ganz offenbar hat ihm jemand geholfen.‹ Vielleicht hörte die Polizei in diesem Moment mit. Wer wusste, was sie aus alldem schließen würde?
    ›Seien Sie vorsichtig, Professor.‹ Turgut klang besorgt. ›Ich habe keinen klugen Rat für Sie, aber ich werde bald Neuigkeiten haben, vielleicht noch, bevor Sie zurück nach Istanbul kommen. Ich bin froh, dass Sie anrufen. Mr Aksoy und ich haben ein neues Dokument gefunden, das wir beide noch nicht kannten. Er hat es in Mehmeds Archiv aufgestöbert. Es stammt von einem östlich-orthodoxen Mönch, aus dem Jahre 1477, aber es muss erst noch übersetzt werden.‹
    Das Rauschen in der Leitung wurde wieder stärker, und ich musste erneut die Stimme heben. ›Sagten Sie 1477? In welcher Sprache ist es?‹
    ›Ich kann Sie nicht verstehen, mein guter Junge‹, bellte Turgut. ›Wir hatten hier ein Unwetter. Ich werde Sie morgen Abend anrufen.‹ Ein wahres Babel aus Stimmen – ob türkisch oder ungarisch, ich wusste es nicht – brach über uns herein und verschlang seine nächsten Worte. Dann klickte es mehrmals, und die Leitung war tot. Ich legte langsam auf und überlegte, ob ich es noch einmal versuchen sollte, aber der Hotelangestellte zog mir bereits mit besorgter Miene den Apparat weg und rechnete auf einem Stück Papier aus, was ich zu zahlen hatte. Mürrisch beglich ich meine Rechnung, stand einen Moment lang da und hatte keine Lust, in mein neues, leeres Zimmer zu gehen, in das ich lediglich mein Rasierzeug und ein frisches Hemd hatte

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