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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zerstörerische Kraft anzuzapfen und sie seinen eigenen Zwecken dienstbar zu machen, nicht völlig ausschließen kann. Die Mittel, durch die das bewerkstelligt wird, mögen uns übernatürlich erscheinen – aber sie sind es in Wirklichkeit nicht.«
    Ich starrte ihn an.
    Er lachte. »Das ist eine theoretische Überlegung, sonst nichts«, meinte er leichthin. »Sagen Sie, ist Ihnen eine Bewegung aufgefallen, die Schwester Marie-Angélique machte, als sie von dem Haus des Kristalls sprach?«
    »Sie legte die Hand auf die Stirn.«
    »Genau. Und beschrieb dort einen Kreis. Sehr ähnlich wie die Katholiken, wenn sie das Kreuzzeichen machen. Nun werde ich Ihnen etwas sehr Interessantes erzählen, Mr Anstruther. Da das Wort Kristall so oft in den Reden meiner Patientin vorkam, versuchte ich ein Experiment. Ich lieh mir von jemandem eine Kristallkugel und zeigte sie eines Tages unvorbereitet meiner Patientin, um deren Reaktion zu testen.«
    »Und?«
    »Nun, das Resultat war sehr merkwürdig und aufschlussreich. Ihr ganzer Körper wurde steif, und sie starrte auf den Kristall, als vermöge sie ihren Augen nicht zu trauen. Dann sank sie davor auf die Knie, murmelte ein paar Worte und verlor das Bewusstsein.«
    »Wie lauteten die Worte?«
    »Sehr eigenartig. Sie sagte: ›Der Kristall! Dann ist der Glaube also noch lebendig!‹«
    »Erstaunlich!«
    »Aufschlussreich, nicht wahr? Und nun die nächste Merkwürdigkeit. Als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte, hatte sie alles vergessen. Ich zeigte ihr den Kristall und fragte sie, ob sie wisse, was das sei. Sie antwortete, sie nehme an, es sei eine Kristallkugel, wie Wahrsager sie benutzten. Ich fragte sie, ob sie schon einmal eine solche gesehen habe. Sie antwortete: ›Noch nie, Monsieur le do c teur.‹ Dann bemerkte ich einen verwunderten Ausdruck in ihren Augen. ›Was beunruhigt Sie, Schwester?‹, fragte ich. Sie antwortete: ›Es ist seltsam. Ich habe noch nie einen solchen Kristall gesehen, und doch scheint es mir, als sei er mir wohl bekannt. Da ist irgendetwas… Wenn ich mich bloß erinnern könnte!‹ Die Gedächtnisanstrengung war offensichtlich so belastend für sie, dass ich ihr verbot, weiter darüber nachzudenken. Das Ganze ist nun zwei Wochen her. Ich habe absichtlich eine Zeit lang gewartet. Morgen will ich ein weiteres Experiment vornehmen.«
    »Mit dem Kristall?«
    »Mit dem Kristall. Ich werde sie dazu bringen, hineinzuschauen. Ich denke, das Resultat dürfte recht interessant sein.«
    »Was erhoffen Sie sich davon?«, fragte ich neugierig.
    Die Frage war ohne Hintersinn, aber sie hatte eine unerwartete Wirkung. Rose erstarrte, das Blut stieg ihm ins Gesicht, und als er mir antwortete, hatte sich sein Tonfall fast unmerklich verändert. Er sprach förmlicher und sachlicher als zuvor.
    »Aufschlüsse über gewisse, bisher nur unvollkommen erforschte geistige Störungen. Schwester Marie-Angélique ist ein hochinteressanter Fall.«
    War Roses Interesse also doch nur rein professionell, fragte ich mich.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich auch mitkäme?«
    Vielleicht bildete ich es mir bloß ein, aber mir schien, als zögere er, bevor er antwortete. Ich hatte das plötzliche Empfinden, dass er mich nicht dabeihaben wollte.
    »Gewiss. Ich sehe nichts, was dagegen spräche.« Nach kurzer Pause fügte er hinzu: »Sie werden wohl nicht mehr sehr lange in Trearne bleiben, nehme ich an?«
    »Nur noch bis übermorgen.«
    Ich hatte den Eindruck, dass meine Antwort ihn befriedigte. Seine Miene erhellte sich, und er begann, mir von einigen seiner jüngsten Experimenten mit Meerschweinchen zu erzählen.
     
    Ich traf den Doktor am folgenden Nachmittag zur verabredeten Stunde, und wir gingen zusammen zu Schwester Marie-Angélique.
    Heute war der Arzt von äußerster Liebenswürdigkeit. Ich nahm an, er war bemüht, den Eindruck, den er am Vortag auf mich gemacht hatte, zu verwischen.
    »Sie müssen das, was ich gesagt habe, nicht zu ernst nehmen«, bemerkte er lachend. »Ich möchte nicht, dass Sie mich für einen Dilettanten der okkulten Wissenschaften halten. Das Schlimme bei mir ist, ich habe eine fatale Schwäche für das Aufstellen von Theorien.«
    »Wirklich?«
    »Ja, und zwar je fantastischer, desto lieber.«
    Er lachte, wie man über eine amüsante Schwäche lacht.
    Als wir zu dem Haus kamen, hatte die Gemeindeschwester etwas mit Rose zu besprechen, und so blieb ich mit Schwester Marie-Angélique allein.
    Ich sah, wie sie mich aufmerksam musterte. Schließlich

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