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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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jemals hypnotisiert worden, Schwester? Oder in Trance gefallen?«
    »Ich bin niemals hypnotisiert worden, Monsieur le docteur. Was das andere anbetrifft, so hat sich während des Gebets in der Kapelle mein Geist oftmals von meinem Körper gelöst, und ich bin viele Stunden lang dagelegen wie tot. Ich sei von Gott gesegnet, sagte die Mutter Oberin, im Stand der Gnade. O ja!«, rief sie plötzlich aus, »ich erinnere mich, auch wir nannten es Stand der Gnade!«
    »Ich würde gerne ein Experiment versuchen, Schwester«, sagte Rose ruhig. »Es könnte vielleicht diese quälenden, bruchstückhaften Erinnerungen vertreiben. Ich möchte Sie bitten, noch einmal in den Kristall zu blicken. Ich werde dann ein bestimmtes Wort zu Ihnen sagen, und Sie werden mir mit einem anderen Wort antworten. Wir werden damit fortfahren, bis Sie müde werden. Konzentrieren Sie Ihre Gedanken auf den Kristall, nicht auf die Worte.«
    Als ich die Kristallkugel wieder aus ihrer Umhüllung nahm und sie in Schwester Marie-Angéliques schmale Hände legte, fiel mir abermals die ehrfürchtige Art auf, mit der sie sie berührte. Ihre schönen, leuchtenden Augen blickten hinein. Eine kurze Weile herrschte Stille, dann sagte der Doktor: »Hund.«
    Sofort antwortete Schwester Marie-Angélique: »Tod.«
     
    Ich will das Experiment hier nicht in vollem Umfang wiedergeben. Der Doktor brachte absichtlich viele unwichtige und bedeutungslose Worte ins Spiel. Andere Worte wiederholte er mehrmals, wobei er dieselbe, manchmal aber auch eine unterschiedliche Antwort erhielt.
    An jenem Abend sprachen wir in Doktor Roses kleinem Haus auf der Klippe über das Resultat des Experiments.
    Rose räusperte sich und zog sein Notizbuch näher zu sich heran.
    »Die Ergebnisse, die wir hier vorliegen haben, sind sehr interessant – sehr sonderbar. Auf die Worte ›Sechstes Zeichen‹ zum Beispiel bekommen wir als Antwort abwechselnd ›Zerstörung‹, ›Purpur‹, ›Hund‹, ›Macht‹, dann wieder ›Zerstörung‹ und am Ende noch einmal ›Macht‹. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, verfuhr ich später umgekehrt und erhielt dabei folgendes Resultat: Auf ›Zerstörung‹ erfolgte die Antwort ›Hund‹, wiederum ›Tod‹, und auf ›Macht‹ – ›Hund‹. Das alles passt zusammen, aber bei einer zweiten Wiederholung des Wortes ›Zerstörung‹ erhalte ich die Antwort ›Meer‹, was völlig irrelevant erscheint. Auf die Worte ›Fünftes Zeichen‹ bekomme ich ›Blau‹, ›Gedanken‹, ›Vogel‹, noch einmal ›Blau‹ und schließlich den recht aufschlussreichen Ausdruck ›Sich im Geiste einander eröffnen‹. Aus dem Umstand, dass auf ›Viertes Zeichen‹ das Wort ›Gelb‹ erfolgt und später ›Licht‹, und dass ich auf ›Erstes Zeichen‹ als Antwort ›Blut‹ erhalte, schließe ich, dass jedes Zeichen eine bestimmte Farbe hatte und möglicherweise auch ein bestimmtes Symbol, beim Fünften Zeichen etwa ein ›Vogel‹, beim Sechsten Zeichen ein ›Hund‹. Ich nehme an, dass das Fünfte Zeichen etwas repräsentierte, was wir unter dem Begriff Telepathie kennen – Gedankenübertragung, ein ›sich im Geiste einander eröffnen‹. Das Sechste Zeichen wiederum bezeichnet ohne allen Zweifel die Macht der Zerstörung.«
    »Was ist die Bedeutung von ›Meer‹?«
    »Ich gestehe, dafür habe auch ich keine Erklärung. Ich habe das Wort später noch einmal verwandt und als Antwort ein banales ›Boot‹ erhalten. Auf ›Siebentes Zeichen‹ bekam ich zuerst ›Leben‹, und das zweite Mal ›Liebe‹. Auf ›Achtes Zeichen‹ kam die Antwort ›Keines‹. Ich entnehme daraus, dass die Summe und Anzahl der Zeichen sieben betrug.«
    »Aber das Siebente wurde nicht erreicht«, sagte ich aus einer plötzlichen Eingebung heraus. »Denn durch das Sechste kam ›Zerstörung‹!«
    »Ach, meinen Sie? Ich finde übrigens, wir nehmen diese – diese wirren Reden sehr ernst. Dabei sind sie eigentlich nur aus medizinischer Sicht von Interesse.«
    »Bestimmt werden sie in der Psychiatrie Aufsehen erregen.«
    Der Doktor kniff die Augen zusammen. »Mein lieber Mr Anstruther, ich habe nicht die Absicht, sie zu veröffentlichen.«
    »Und Ihr Interesse daran?«
    »Ist rein persönlicher Natur. Ich werde selbstverständlich ein Protokoll über den Fall anfertigen.«
    »Ich verstehe.« Doch zum ersten Mal hatte ich das Empfinden, dass ich gar nichts verstand. Ich erhob mich.
    »Nun, dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Doktor. Ich muss morgen wieder in die Stadt

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