Der Idiot
Schwarzhaarige.
»Ja ... allerdings ...«
»Ich für meine Person habe nie etwas studiert.«
»Auch ich nur ein klein wenig«, fügte der Fürst in einem Ton hinzu,
der beinah wie eine Bitte um Entschuldigung klang. »Mir einen regulären
Unterricht zu erteilen, hielt man in Anbetracht meiner Krankheit nicht
für möglich.«
»Kennen Sie die Familie Rogoschin?« fragte der schwarzhaarige junge Mensch schnell.
»Nein, ich kenne sie nicht, gar nicht. Ich kenne in Rußland überhaupt nur wenige Menschen. Ist Ihr Name Rogoschin?«
»Ja, ich heiße Rogoschin, Parfen Rogoschin.«
»Parfen? Sind Sie da nicht vielleicht ein Mitglied eben jener
Familie Rogoschin ...«, begann der Beamte mit noch gesteigerter
Wichtigtuerei.
»Jawohl, eben jener, eben jener«, unterbrach ihn schnell und mit
unhöflicher Ungeduld der Schwarzhaarige, der überhaupt dem Beamten mit
dem Gesicht voller Pickel nie Beachtung geschenkt, sondern gleich von
Anfang an immer nur zu dem Fürsten gesprochen hatte.
»Ja ... ist es möglich?« rief der Beamte; er war ganz starr vor
Staunen, die Augen traten ihm beinah aus den Höhlen, und sein ganzes
Gesicht nahm sogleich einen ehrerbietigen, knechtischen, ja
erschrockenen Ausdruck an. »Sind Sie ein Sohn eben jenes erblichen
Ehrenbürgers Semjon Parfenowitsch Rogoschin, der vor einem Monat starb
und ein bares Kapital von dreieinhalb Millionen hinterließ?«
»Woher haben Sie denn erfahren, daß er ein bares Kapital von
dreieinhalb Millionen hinterlassen hat?« unterbrach ihn der
Schwarzhaarige, der sich auch diesmal nicht dazu herabließ, den Beamten
anzusehen. »Nun sieh mal einer den Kerl an!« (Er wies den Fürsten durch
Augenzwinkern auf ihn hin.) »Und was haben die Leute nur davon, daß sie
sich sofort mit Schmeicheleien an einen heranmachen? Aber wahr ist, daß
mein Vater gestorben ist und ich jetzt einen Monat nachher beinah ohne
Stiefel von Pskow nach Hause fahre. Weder mein niederträchtiger Bruder
noch meine Mutter haben mir Geld oder eine Benachrichtigung geschickt –
nichts haben sie mir geschickt! Als ob ich ein Hund wäre! Einen ganzen
Monat lang habe ich in Pskow im Fieber gelegen!«
»Aber jetzt werden Sie mehr als ein Milliönchen mit einemmal
bekommen, mindestens soviel, o mein Herrgott!« rief der Beamte und
schlug die Hände zusammen. »Na, was geht ihn das an? Sagen Sie, bitte,
selbst!« sagte Rogoschin, wieder mit dem Kopf auf ihn hindeutend, in
gereiztem, ärgerlichem Ton. »Ich werde Ihnen ja doch nicht eine einzige
Kopeke geben, und wenn Sie sich vor mir auf den Kopf stellen und auf
den Händen gehen.«
»Das werde ich tun, das werde ich tun!«
»Da haben wir's! Aber ich werde Ihnen nichts geben, gar nichts, und wenn Sie eine ganze Woche lang tanzen!«
»Sie brauchen mir nichts zu geben! Das verlange ich auch gar nicht!
Sie brauchen mir nichts zu geben! Aber ich werde doch tanzen. Meine
Frau und meine kleinen Kinder werde ich im Stich lassen und vor Ihnen
tanzen. Aus reiner Liebenswürdigkeit!«
»Pfui über Sie!« sagte der Schwarzhaarige und spuckte aus. »Vor fünf
Wochen befand ich mich in demselben Zustand wie Sie jetzt«, wandte er
sich an den Fürsten, »mit einem einzigen Bündelchen entfloh ich vor
meinem Vater nach Pskow zu einer Tante; und dort habe ich am Fieber
krank gelegen, und er ist in meiner Abwesenheit gestorben. Ein
Schlagfluß hat ihm den Garaus gemacht. Ich wünsche dem Verstorbenen die
ewige Ruhe; aber er hat mich damals fast zu Tode geprügelt. Sie können
es mir glauben, Fürst, bei Gott! Wäre ich damals nicht davongelaufen,
so hätte er mich auf dem Fleck totgeschlagen.«
»Hatten Sie ihn durch irgend etwas gereizt?« fragte der Fürst und
betrachtete mit einem gewissen besonderen Interesse den Millionär im
Schafpelz.
Aber obgleich schon in der Vorstellung einer zu erbenden Million
möglicherweise etwas Merkwürdiges lag, so war da doch noch etwas
anderes, was den Fürsten in Verwunderung versetzte und sein Interesse
weckte; und auch Rogoschin selbst unterhielt sich aus irgendwelchem
Grund gern mit dem Fürsten, wiewohl er anscheinend mehr ein
mechanisches als ein seelisches Bedürfnis nach Unterhaltung hatte;
sozusagen mehr aus Zerstreutheit als aus Gutherzigkeit; aus Unruhe und
Aufregung, um nur jemanden anzusehen und über irgendeinen Gegenstand
die Zunge in Bewegung zu setzen. Es schien, daß er auch jetzt noch
Fieber hatte, wenigstens in einem gewissen Grade. Was den Beamten
anlangt, so hing dieser ordentlich an Rogoschins Mund,
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