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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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nein!« beeilte sich der Beamte, schnell
gefaßt, zu erwidern. »Bei der konnte Lichatschow durch kein Geld zum
Ziele gelangen! Nein, die ist von anderer Art wie Fräulein Armance. Da
ist Tozki der einzige. Abends sitzt sie im Großen Theater oder im
Französischen Theater in ihrer eigenen Loge. Die Offiziere reden ja da
unter sich allerlei; aber auch die können nichts beweisen. ›Da ist die
berühmte Nastasja Filippowna‹, sagen sie, aber das ist auch alles; was
Weiteres anlangt, so ist da nichts zu sagen! Weil eben nichts vorliegt.«
    »Ja, so verhält sich das alles«, bestätigte Rogoschin mit trüber,
finsterer Miene. »Auch Saloschew hat es mir damals gesagt. Ich ging
damals, Fürst, in einem Schnurrock, den mein Vater schon vor zwei
Jahren abgelegt hatte, über den Newski-Prospekt, und sie kam aus einem
Laden heraus und stieg in ihren Wagen. Da stand ich auf der Stelle in
Flammen. Ich begegnete meinem Freund Saloschew; der sah anders aus als
ich; er geht wie ein Friseurgehilfe, immer die Lorgnette im Auge; wir
aber mußten bei unserm Vater in Schmierstiefeln gehen und uns an
fastenmäßiger Kohlsuppe delektieren. ›Die ist nichts für dich‹, sagte
er; ›das ist‹, sagte er, ›eine Fürstin; sie heißt Nastasja Filippowna,
mit dem Familiennamen Baraschkowa, und lebt mit Tozki; Tozki aber weiß
jetzt nicht, wie er von ihr loskommen soll, weil er nämlich schon ganz
in die soliden Jahre hineingekommen ist (er ist fünfundfünfzig) und
eine der ersten Schönheiten von ganz Petersburg heiraten will.‹ Dann
teilte er mir noch mit, daß ich Nastasja Filippowna an demselben Tag im
Großen Theater wiedersehen könne, im Ballett; sie werde in ihrer
Parterreloge sitzen. Bei uns zu Hause, bei unserm Vater, da hätte es
mal einer probieren sollen und sagen, er wolle ins Ballett gehen; der
Vater hätte kurzen Prozeß gemacht und ihn halbtot geprügelt! Ich
schlich mich indessen still für ein Stündchen weg und sah Nastasja
Filippowna wieder; die ganze folgende Nacht konnte ich nicht schlafen.
Am andern Morgen gab mir der Vater zwei fünfprozentige
Staatsschuldscheine, jeden zu fünftausend Rubeln, und sagte: ›Geh hin
und verkaufe sie; dann trage siebentausendfünfhundert Rubel zu Andrejew
auf's Kontor und bezahle sie dort; und was du von den zehntausend noch
übrig hast, das bring geradewegs hierher und liefere es mir ab; ich
werde auf dich warten.‹ Die Staatsschuldscheine verkaufte ich und
empfing das Geld dafür; aber zu Andrejew auf's Kontor begab ich mich
nicht, sondern ich ging, ohne mich umzusehen, nach dem Englischen
Magazin und suchte dort für das ganze Geld ein Paar Ohrgehänge aus,
jedes mit einem Brillanten fast von Nußgröße; vierhundert Rubel blieb
ich noch schuldig; ich nannte meinen Namen, und man gab mir Kredit. Mit
den Ohrgehängen ging ich gleich zu Saloschew: ›So und so, Bruder‹,
sagte ich, ›wir wollen zu Nastasja Filippowna gehen.‹ Wir gingen hin.
Was ich damals unter den Füßen und vor mir und rechts und links hatte,
das weiß ich nicht; dafür habe ich keine Erinnerung. Wir traten bei ihr
gleich in den Salon ein, und dann kam sie selbst zu uns. Ich
verlautbarte übrigens damals nicht, daß ich selbst der Geber sei,
sondern Saloschew sagte: ›Von Parfen Rogoschin, der Sie gestern gesehen
hat, ein kleines Andenken; haben Sie die Gewogenheit, es anzunehmen!‹
Sie öffnete das Etui, betrachtete den Schmuck und lächelte. ›Sagen Sie
Ihrem Freund Herrn Rogoschin meinen Dank‹, sagte sie, ›für seine
liebenswürdige Aufmerksamkeit!‹ Dann verneigte sie sich und ging
hinaus. Na, warum bin ich damals nicht dort auf dem Fleck gestorben!
Aber wenn ich fortging, so tat ich es mit dem Gedanken: ›Lebendig komme
ich doch nie wieder her!‹ Was ich aber am schwersten als Kränkung
empfand, das war, daß diese Kanaille, der Saloschew, sich angemaßt
hatte, alles allein zu reden und zu tun. Ich bin von kleiner Statur und
war wie ein Plebejer gekleidet, und hatte dagestanden, sie angestarrt
und geschwiegen, weil ich mich schämte; er aber in modischem Anzug, mit
pomadisiertem und gekräuseltem Haar, mit seinem frischen Teint und mit
seiner karierten Krawatte hatte den Liebenswürdigen gespielt und einmal
über das andere gedienert, und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie
ihn für mich genommen! ›Na‹, sagte ich, als wir hinausgegangen waren,
›du wage nicht, dich wieder bei mir blicken zu lassen, verstehst du?‹
Er lachte: ›Aber wie wirst du jetzt vor deinem Vater

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