Der Idiot
schon dadurch bewiesen hat, daß er von Kolja
Briefe empfängt und sogar manchmal auf diese Briefe antwortet. Aber
außerdem ist uns auch noch ein merkwürdiger Charakterzug an ihm bekannt
geworden, und da dies ein guter Charakterzug ist, so wollen wir uns
beeilen, ihn mitzuteilen: nach jedem Besuch des Schneiderschen
Instituts schickt Jewgeni Pawlowitsch außer an Kolja auch noch an eine
andere Person in Petersburg einen Brief mit einer sehr eingehenden,
teilnahmsvollen Darstellung des Krankheitszustandes des Fürsten im
vorliegenden Augenblick. Außer den respektvollsten Versicherungen von
Ergebenheit beginnen in diesen Briefen manchmal (und zwar mit
zunehmender Häufigkeit) offenherzige Darlegungen von Ansichten,
Anschauungen und Empfindungen eine Stelle zu finden, kurz es entwickelt
sich da etwas, was mit freundschaftlichen, herzlichen Gefühlen
Ähnlichkeit hat. Diese Person, die in einem wenn auch nur ziemlich
seltenen Briefwechsel mit Jewgeni Pawlowitsch steht und in so hohem
Grad seine Aufmerksamkeit und Hochachtung genießt, ist Wjera Lebedjewa.
Wir haben nicht mit Sicherheit in Erfahrung zu bringen vermocht, auf
welche Weise solche Beziehungen haben entstehen können; aber gewiß
verdanken sie ihren Ursprung eben diesem Begebnis mit dem Fürsten, als
Wjera Lebedjewa von dem Kummer darüber dermaßen erschüttert war, daß
sie sogar krank wurde; aber wie im einzelnen sich die Bekanntschaft und
Freundschaft bildete, das ist uns unbekannt. Erwähnt haben wir diese
Briefe besonders im Hinblick darauf, daß in manchen von ihnen
Nachrichten über die Familie Jepantschin und namentlich über Aglaja
Iwanowna Jepantschina enthalten waren. Über die letztere teilte Jewgeni
Pawlowitsch in einem ziemlich verworrenen Brief aus Paris mit, daß sie
nach einem kurzen, aber sehr leidenschaftlichen Attachement an einen
Emigranten, einen polnischen Grafen, diesen plötzlich gegen den Willen
ihrer Eltern geheiratet habe; wenn diese auch schließlich ihre
Einwilligung gegeben hätten, so hätten sie es doch nur deshalb getan,
weil die Sache gedroht habe, sich zu einem schrecklichen Skandal zu
entwickeln. Dann, nach einem fast halbjährigen Stillschweigen, teilte
Jewgeni Pawlowitsch, wieder in einem langen, ausführlichen Brief, mit,
daß er bei dem letzten Besuch, den er dem Professor Schneider in der
Schweiz gemacht habe, bei ihm mit der ganzen Familie Jepantschin
zusammengetroffen sei (natürlich mit Ausnahme von Iwan Fjodorowitsch,
der wegen seiner Geschäfte in Petersburg geblieben war), sowie mit dem
Fürsten Schtsch. Es war ein seltsames Wiedersehen; sie begrüßten
Jewgeni Pawlowitsch alle mit einer Art von Entzücken; Adelaida und
Alexandra glaubten aus nicht recht verständlichem Grund ihm sogar
dankbar sein zu müssen für seine »engelhafte Fürsorge für den
unglücklichen Fürsten«. Als Lisaweta Prokofjewna den Fürsten in seinem
kranken, kläglichen Zustand erblickte, weinte sie von Herzen. Es
schien, daß ihm alles schon verziehen sei. Fürst Schtsch. sprach bei
diesem Anlaß einige sehr treffende, verständige Gemeinplätze aus.
Jewgeni Pawlowitsch hatte den Eindruck, daß Fürst Schtsch. und Adelaida
sich noch nicht vollständig ineinander eingelebt hätten; aber für die
Zukunft schien es unvermeidlich, daß die feurige Adelaida sich durchaus
gutwillig und von ganzem Herzen dem Verstand und der gereiften
Erfahrung des Fürsten Schtsch. unterordnen werde. Die ernsten Lehren,
die die Familie empfangen hatte, hatten stark auf dieselbe gewirkt, und
namentlich der letzte Fall mit Aglaja und dem gräflichen Emigranten.
Alle Befürchtungen, die die Familie gehegt hatte, als sie diesem Grafen
Aglaja überließ, hatten sich bereits ein
halbes Jahr darauf verwirklicht, und es waren noch unangenehme
Überraschungen hinzugekommen, an die kein Mensch vorher gedacht hatte.
Es hatte sich herausgestellt, daß dieser Graf gar nicht einmal ein Graf
war, und mochte er auch tatsächlich ein Emigrant sein, so hing damit
doch eine dunkle, zweideutige Geschichte zusammen. Gefesselt hatte er
Aglaja durch den hohen Edelmut seiner von Trauer über das Vaterland
zerrissenen Seele, und zwar hatte er sie dermaßen gefesselt, daß sie
noch vor ihrer Verheiratung Mitglied eines ausländischen Komitees zur
Wiederherstellung Polens und außerdem das Beichtkind eines berühmten
römisch-katholischen Paters wurde, der ihren Verstand ganz in Banden
geschlagen und sie zu seiner fanatischen Anhängerin gemacht hatte. Das
kolossale Vermögen des
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