Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Vom Netzwerk:
lachte manchmal laut ohne
sichtbaren Grund, lediglich weil er auf eigene Faust die Rolle des
Spaßmachers übernommen hatte. Afanasi Iwanowitsch selbst, der für einen
geistreichen, eleganten Plauderer galt und in früherer Zeit bei diesen
Abendgesellschaften gewöhnlich das Gespräch geleitet hatte, befand sich
offenbar nicht in der rechten Stimmung und sogar in einer ihm sonst
fremden Verwirrung. Die andern Gäste, die übrigens wenig zahlreich
waren (ein jämmerlicher, alter Lehrer, der Gott weiß weshalb eingeladen
war; ein unbekannter, sehr jugendlicher Mensch, der furchtbar
schüchtern war und die ganze Zeit über schwieg; eine gewandte, etwa
vierzigjährige Dame, Schauspielerin; und eine außerordentlich hübsche,
sehr schön und luxuriös gekleidete und überaus stille junge Frau),
vermochten das Gespräch nicht sonderlich zu beleben, ja, sie wußten
manchmal gar nicht, wovon sie sprechen sollten. Unter diesen Umständen kam das Erscheinen des Fürsten
sogar sehr gelegen. Die Meldung von seiner Ankunft rief einige
Verwunderung und ein eigentümliches Lächeln hervor, namentlich als die
Gäste an Nastasja Filippownas erstauntem Gesicht merkten, daß es ihr
überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, ihn einzuladen. Aber nach
diesem ersten Erstaunen bekundete Nastasja Filippowna auf einmal eine
solche Freude, daß die Mehrzahl der Anwesenden sich sogleich
anschickte, den unerwarteten Gast mit Lachen und Heiterkeit zu
empfangen.
    »Er tut das allerdings aus Naivität«, bemerkte Iwan Fjodorowitsch
Jepantschin, »und es ist jedenfalls nicht ungefährlich, solche
Neigungen zu ermutigen; aber im gegenwärtigen Augenblick ist es
wirklich nicht übel, daß er auf den Einfall gekommen ist, hier zu
erscheinen, wenn auch in so origineller Manier. Er wird vielleicht zu
unserer Erheiterung beitragen, soweit ich wenigstens über ihn urteilen
kann.«
    »Das muß er um so mehr, da er sich eingedrängt hat!« fügte Ferdyschtschenko rasch hinzu.
    »Wie soll das damit zusammenhängen?« fragte der General trocken, der Ferdyschtschenko nicht leiden konnte.
    »Er muß eben Eintrittsgeld bezahlen«, erwiderte dieser erläuternd.
    »Nun, Fürst Myschkin ist denn doch kein Ferdyschtschenko«, konnte
sich der General nicht enthalten zu entgegnen. Er konnte sich immer
noch nicht darein finden, daß er sich mit Ferdyschtschenko in ein und
derselben Gesellschaft befinden und mit ihm auf gleichem Fuß verkehren
sollte.
    »Ei, ei, General, vergreifen Sie sich nicht an Ferdyschtschenko«,
antwortete dieser schmunzelnd. »Ich habe hier meine besonderen
Privilegien.«
    »Was für Privilegien?«
    »Ich hatte das vorige Mal die Ehre, es der Gesellschaft ausführlich
auseinanderzusetzen, und will es jetzt für Euer Exzellenz noch einmal
wiederholen. Wollen Euer Exzellenz folgendes erwägen: alle Menschen
sind geistreich; nur ich besitze diese Eigenschaft nicht. Zum Ausgleich
habe ich mir die Erlaubnis erwirkt, die Wahrheit sagen zu dürfen, da
allen bekannt ist, daß die Wahrheit nur Leute sagen, denen es an Geist
mangelt. Außerdem bin ich ein sehr rachsüchtiger Mensch, und zwar
wieder eben deswegen, weil ich nicht geistreich bin. Ich ertrage
demütig jede Beleidigung, aber nur so lange, bis es meinem Beleidiger
einmal schiefgeht; sowie das eintritt, erinnere ich mich sofort an die
Beleidigung und räche mich irgendwie; ich schlage aus, wie Iwan
Petrowitsch Ptizyn einmal von mir sagte, der natürlich für seine Person
nie gegen jemand ausschlägt. Kennen Euer Exzellenz die Krylowsche Fabel
›Der Löwe und der Esel‹? Na, die paßt auf uns beide, auf Sie und mich;
die ist auf uns zugeschnitten.«
    »Sie sind wohl wieder einmal ins Faseln gekommen, Ferdyschtschenko!« fuhr der General auf.
    »Aber was haben Sie denn, Exzellenz?« erwiderte Ferdyschtschenko,
der darauf gerechnet hatte, ein Wortgefecht herbeizuführen und weiter
zu salbadern. »Beunruhigen Sie sich nicht, Exzellenz; ich kenne meinen
Platz: wenn ich sagte, daß Sie und ich der Löwe und der Esel aus der
Krylowschen Fabel seien, so übernehme ich natürlich die Rolle des Esels
und Euer Exzellenz die des Löwen, wie es ja auch in der Krylowschen
Fabel heißt:
    ›Der mächt'ge Leu, der einst die Wälder
    Erschreckte, war nun altersschwach.‹
    Ich aber, Exzellenz, bin der Esel.«
    »Mit letzterem bin ich einverstanden«, platzte der General heraus.
    Alles, was Ferdyschtschenko da sagte, war ja plump, absichtlich
plump; aber es war nun einmal üblich geworden, daß man

Weitere Kostenlose Bücher