Der Idiot
Kolja.«
»Hören Sie mal, wie beabsichtigen Sie sich Ihr Leben hier
einzurichten? Ich werde mir bald eine Beschäftigung verschaffen und
etwas verdienen; dann könnten ja wir drei, ich, Sie und Ippolit, uns
eine gemeinsame Wohnung mieten und zusammen leben; und meinen Vater
würden wir dann zu uns nehmen.«
»Mit dem größten Vergnügen. Aber darüber können wir erst später
reden. Ich bin jetzt sehr ... sehr zerstreut. Wie? Sind wir schon da?
In diesem Haus ...? Das ist ja ein großartiges Portal! Und ein Portier!
Nun, Kolja, ich weiß nicht, was daraus werden wird.«
Der Fürst stand ganz fassungslos da.
»Morgen werden Sie mir alles erzählen! Seien Sie nur nicht zu
schüchtern! Ich wünsche Ihnen von Herzen guten Erfolg; denn ich bin in
allen Dingen derselben Ansicht wie Sie. Leben Sie wohl! Ich gehe wieder
zu der Hauptmannsfamilie zurück und werde es Ippolit erzählen. Daß sie
Sie empfangen wird, daran ist gar nicht zu zweifeln; da brauchen Sie
keine Besorgnisse zu haben. Sie ist eine höchst eigenartige Frau. Diese
Treppe hier hinauf, in der ersten Etage. Der Portier wird Ihnen schon
Bescheid sagen.«
Fußnoten
1 Bedeutender Chirurg, 1810-1881. (A.d.Ü.)
XIII
Der Fürst befand sich, als er die Treppe hinaufstieg, doch in großer
Unruhe und suchte sich mit aller Kraft Mut zu machen. »Das Schlimmste«,
dachte er, »kann doch nur sein, daß sie mich nicht empfängt und irgend
etwas Schlechtes von mir denkt, oder auch vielleicht, daß sie mich
empfängt und mir ins Gesicht lacht ... Ach was! Daraus will ich mir
nichts machen!« Und in der Tat ängstigte ihn dies nicht so besonders;
aber die Frage, warum er eigentlich dorthin gehe und was er dort machen
wolle, auf diese Frage fand er schlechterdings keine befriedigende
Antwort. Selbst wenn es ihm irgendwie gelänge, eine günstige
Gelegenheit abzupassen und zu Nastasja Filippowna zu sagen: »Heiraten
Sie diesen Menschen nicht und richten Sie sich nicht zugrunde; er liebt
Sie nicht; er liebt nur Ihr Geld; das hat er selbst zu mir gesagt, und
auch Aglaja Jepantschina hat es zu mir gesagt, und ich bin hergekommen,
um Sie davon in Kenntnis zu setzen«, so würde, sagte er sich, auch das
nicht in jeder Beziehung korrekt sein. Und noch eine andere ungelöste
Frage trat ihm vor die Seele, eine so wichtige Frage, daß der Fürst
sich sogar fürchtete, an sie auch nur zu denken, gar nicht wagte, sie
als zulässig zu betrachten und zu formulieren, sondern bei dem bloßen
Gedan ken an sie errötete und zu zittern begann. Aber das Ende war
doch, daß er trotz all dieser Befürchtungen und Zweifel eintrat und
nach Nastasja Filippowna fragte.
Nastasja Filippowna hatte eine nicht sehr große, aber wirklich
prachtvoll ausgestattete Wohnung inne. In den fünf Jahren ihres
Petersburger Aufenthalts hatte es eine Zeit gegeben (das war gleich am
Anfang gewesen), wo Afanasi Iwanowitsch ganz besonders viel Geld für
sie aufwandte; er rechnete damals noch auf ihre Liebe und hoffte, sie
namentlich durch Komfort und Luxus zu betören; denn er wußte, wie
leicht man sich an den Luxus gewöhnt, und wie schwer es einem nachher
fällt, auf ihn zu verzichten, wenn er allmählich zum notwendigen
Bedürfnis geworden ist. In dieser Hinsicht blieb Tozki den alten, guten
Traditionen treu und änderte nichts an ihnen, da er die unüberwindliche
Macht der sinnlichen Eindrücke außerordentlich hoch anschlug. Nastasja
Filippowna verhielt sich gegen den Luxus nicht ablehnend, sie liebte
ihn sogar; aber (und dies erschien sehr merkwürdig) sie ließ sich von
ihm nicht unterjochen, sondern machte den Eindruck, als könne sie ihn
auch jeden Augenblick entbehren; sie sprach das sogar mehrmals
absichtlich aus, wovon Tozki sich unangenehm berührt fühlte. Übrigens
hatte Nastasja Filippowna gar manches an sich, wovon Afanasi
Iwanowitsch nicht sonderlich erbaut war, ein Gefühl, das sich in der
Folgezeit sogar bis zur Verachtung steigerte. Ganz abgesehen davon, daß
sie manchmal, und offenbar aus persönlicher Neigung, Leute an sich
heranzog, die das Gegenteil von elegant waren, traten bei ihr auch noch
einige andere ganz seltsame Neigungen hervor: Es zeigte sich eine
barbarische Vermischung zweier verschiedener Geschmacksrichtungen,
ferner eine Fähigkeit, auf gewisse Genüsse zu verzichten und sich statt
dessen mit andern zu begnügen, die ein anständiger, feingebildeter
Mensch als gar nicht vorhanden betrachtet. In der Tat, hätte (um ein
Beispiel anzuführen) Nastasja Filippowna irgendeine
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