Der Idiot
Ferdyschtschenko
die Rolle eines Clowns spielen ließ.
»Nur deshalb verstattet man mir ja hier den Zutritt und duldet
mich«, hatte Ferdyschtschenko einmal erklärt, »damit ich in diesem
Genre rede. In der Tat, könnte man sonst einen Menschen von meiner Art
empfangen? Ich begreife ja das alles. Na, kann man etwa mich, den
armseligen Ferdyschtschenko, neben einen so feinen Gentleman wie
Afanasi Iwanowitsch setzen? Wenn man es doch tut, so gibt es dafür nur
eine Erklärung: man tut es eben deshalb, weil es undenkbar ist.«
Aber wenn er auch gewöhnlich plump war, so war er doch auch oft
bissig und manchmal sogar in hohem Grade, und das war es, woran
Nastasja Filippowna Gefallen zu finden schien. Wer bei ihr zu verkehren
wünschte, dem blieb nichts anderes übrig, als diesen Ferdyschtschenko
zu ertragen. Er hatte vielleicht die volle Wahrheit erraten, als er die
Vermutung ausgesprochen hatte, daß sie ihn deswegen empfange, weil er
gleich bei seiner ersten Anwesenheit durch sein Wesen auf Tozki einen
unerträglichen Eindruck gemacht hatte. Ganja seinerseits mußte sich von
ihm eine endlose Reihe von Martern gefallen lassen, und in dieser
Hinsicht wußte sich Ferdyschtschenko seiner Gönnerin sehr nützlich zu
machen.
»Zuerst werde ich vom Fürsten verlangen, daß er uns ein modernes
Lied vorsingt«, bemerkte Ferdyschtschenko und paßte auf, was Nastasja
Filippowna dazu sagen werde.
»Ich glaube nicht, daß er das tun wird, Ferdyschtschenko, und möchte Sie bitten, nicht zu sehr ins Zeug zu gehen.«
»Ah, ah! Nun, wenn er unter Ihrem besonderen Schutz steht, dann werde auch ich mich erweichen lassen ...«
Aber Nastasja Filippowna stand, ohne auf ihn zu hören, auf und ging selbst dem Fürsten entgegen.
»Ich habe bedauert«, sagte sie, vor ihn hintretend, »daß ich vorhin
in der Eile vergessen habe, Sie einzuladen, und ich freue mich sehr,
daß Sie mir jetzt selbst die Gelegenheit geben, Ihr entschlossenes
Verhalten zu loben und Ihnen dafür zu danken.«
Während sie das sagte, blickte sie den Fürsten forschend an, bemüht, über den Grund seines Kommens Klarheit zu erlangen.
Der Fürst hätte auf ihre freundlichen Worte vielleicht etwas
erwidert; aber er war dermaßen von ihrer Erscheinung überrascht und
geblendet, daß er kein Wort herausbringen konnte. Nastasja Filippowna
bemerkte dies mit Vergnügen. Sie war an diesem Abend in großer Toilette
und machte einen außerordentlich starken Eindruck. Sie ergriff ihn bei
der Hand und führte ihn zu den Gästen. Unmittelbar vor dem Eingang in
den Salon blieb der Fürst plötzlich stehen und flüsterte ihr in großer
Erregung hastig zu:
»An Ihnen ist alles vollkommen ... sogar Ihre Magerkeit und Blässe
... man möchte Sie sich gar nicht anders vorstellen ... Ich hatte ein
so starkes Verlangen, zu Ihnen zu gehen ... ich ... verzeihen Sie mir
...«
»Bitten Sie nicht um Verzeihung!« erwiderte Nastasja Filippowna
lachend, »dadurch wird Ihre ganze Sonderbarkeit und Originalität
zerstört. Und es wird doch mit Recht über Sie gesagt, daß Sie ein
sonderbarer Mensch seien. Also Sie halten mich für vollkommen, ja?«
»Ja.«
»Sie sind zwar sonst ein Meister im Erraten; aber hier haben Sie sich doch geirrt. Ich werde Sie noch heute daran erinnern.«
Sie stellte den Fürsten den Gästen vor, von denen er der größeren
Hälfte bereits bekannt war. Tozki sagte ihm sogleich eine
Liebenswürdigkeit. Alle schienen etwas lebendiger zu werden; alle
begannen auf einmal zu reden und zu lachen. Nastasja Filippowna wies
dem Fürsten einen Platz an ihrer Seite an.
»Aber was ist denn eigentlich an dem Erscheinen des Fürsten so
Verwunderliches?« überschrie Ferdyschtschenko alle. »Die Sache ist doch
klar; die Sache spricht für sich selbst!«
»Die Sache ist nur zu klar und spricht nur zu sehr für sich selbst!«
sagte auf einmal Ganja, der bisher geschwiegen hatte. »Ich habe den
Fürsten heute fast ununterbrochen beobachtet, von dem Augenblick an,
als er in Iwan Fjodorowitschs Wohnung zum erstenmal Nastasja
Filippownas Bild auf dem Tisch liegen sah. Ich erinnere mich sehr
genau, daß mir gleich dabei ein Gedanke an das kam, was mir jetzt zur
vollen Überzeugung geworden ist und was mir, beiläufig gesagt, der
Fürst selbst gestanden hat!«
Ganja hatte das alles sehr ernst, ohne die geringste Spur von
Scherzhaftigkeit, ja mit finsterer Miene gesagt, was einen ziemlich
seltsamen Eindruck machte.
»Ich habe Ihnen keine Geständnisse gemacht«, antwortete der
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