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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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willen?«
    »Ich bin nicht hergereist, um zu heiraten«, versetzte der Fürst.
    »Ist dir etwas auf der Welt heilig?«
    »Ja.«
    »Dann schwöre mir, daß du nicht hergereist bist, um
sie
zu heiraten.«
    »Ich schwöre es bei allem, was Sie wollen!«
    »Ich glaube dir; küsse mich! Endlich kann ich wieder frei atmen. Aber wisse: Aglaja liebt dich nicht; danach richte dich; solange ich auf der Welt bin, wird sie nicht deine Frau werden! Hast du gehört?«
    »Ja, ich habe es gehört.«
    Der Fürst errötete so stark, daß er Lisaweta Prokofjewna nicht gerade in die Augen sehen konnte.
    »Nun, dann merke es dir! Ich habe auf dich gewartet wie auf die Vorsehung (was du übrigens nicht wert warst!); ich habe mein Kissen nachts mit meinen Tränen benetzt – nicht deinetwegen, lieber Freund; mach dir keine Sorgen; ich habe meinen eigenen, anderen Kummer, immer und ewig denselben. Aber der Grund, weshalb ich auf dich mit solcher Ungeduld gewartet habe, ist der: ich glaube immer noch, daß Gott selbst dich mir als meinen Freund und Bruder gesandt hat. Ich habe keinen Menschen als die alte Bjelokonskaja, und auch die ist jetzt ausgeflogen und ist überdies infolge ihres hohen Alters dumm wie ein Schaf. Jetzt antworte einfach ja oder nein: weißt du, warum sie neulich die seltsamen Worte aus dem Wagen gerufen hat?«
    »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich nicht dabei beteiligt war und nichts davon weiß!«
    »Genug, ich glaube dir. Jetzt fasse ich die Sache anders auf; aber noch vorgestern vormittag maß ich Jewgeni Pawlowitsch an allem die Schuld bei. Den ganzen vorgestrigen Tag und gestern vormittag war ich dieser Meinung. Jetzt allerdings kann ich nicht umhin, den andern beizustimmen: es ist offenbar, daß sie sich über ihn wie über einen Dummkopf lustig gemacht hat, aus irgendeinem Grund, zu irgendeinem Zwecke in irgendeiner Absicht. (Schon das allein ist verdächtig und ganz ungehörig!) Aber Aglaja wird er nicht zur Frau bekommen, das sage ich dir! Er mag ja ein ganz guter Mensch sein; aber es wird doch so geschehen, wie ich gesagt habe. Früher habe ich noch geschwankt; aber jetzt habe ich mit aller Bestimmtheit erklärt: ›Legt mich erst in den Sarg und vergrabt mich in die Erde; dann könnt ihr meine Tochter zur Frau geben, wem ihr wollt!‹ Das habe ich heute meinem Mann gegenüber ausgesprochen. Siehst du wohl, daß ich dir vertraue? Siehst du das wohl?«
    »Ja, ich sehe es und verstehe es.«
    Lisaweta Prokofjewna blickte den Fürsten prüfend an: vielleicht hätte sie gern gewußt, welchen Eindruck die Mitteilung über Jewgeni Pawlowitsch auf ihn gemacht hatte.
    »Von Gawrila Iwolgin weißt du nichts?«
    »Das heißt ... ich weiß von ihm vieles.«
    »Hast du gewußt, daß er mit Aglaja Beziehungen unterhält?«
    »Davon habe ich nicht das geringste gewußt«, erwiderte der Fürst erstaunt; er war sogar zusammengezuckt.
    »Wie? Sie sagen, Gawrila Ardalionowitsch unterhalte Beziehungen mit Aglaja Iwanowna? Unmöglich!«
    »Erst seit kurzer Zeit. Seine Schwester hat ihm den ganzen Winter über den Weg gebahnt; wie eine Ratte hat sie gewühlt und genagt.«
    »Ich glaube es nicht«, wiederholte der Fürst mit fester Stimme, nachdem er ein Weilchen in Aufregung nachgedacht hatte. »Wenn das der Fall wäre, so würde ich es sicher wissen.«
    »Na ja, er wäre wohl selbst gekommen, wäre dir an die Brust gesunken und hätte es dir unter Tränen gestanden! O du Einfalt, du Einfalt! Alle betrügen sie dich ja wie ... wie ... Schämst du dich denn gar nicht, ihm zu vertrauen? Siehst du denn nicht, daß er dich beständig hinters Licht führt?«
    »Ich weiß sehr wohl, daß er mich manchmal betrügt«, antwortete der Fürst nur ungern und halblaut, »und er weiß, daß ich das weiß; aber ...«, fügte er hinzu, sprach jedoch den Satz nicht zu Ende.
    »Es zu wissen und doch zu vertrauen! Das ist das Nonplusultra! Übrigens konnte man das von dir erwarten. Worüber wundere ich mich da noch? Mein Gott! Hat es je so einen Menschen gegeben? Nein, so etwas! Und weißt du, daß dieser Ganja oder diese Warja sie mit Nastasja Filippowna in Verkehr gebracht haben?«
    »Wen?« rief der Fürst.
    »Aglaja.«
    »Das glaube ich nicht! Das ist nicht möglich! Was sollten sie dabei für eine Absicht gehabt haben?«
    Er sprang vom Stuhl auf.
    »Auch ich glaube es nicht, wiewohl sichere Anzeichen dafür vorhanden sind. Sie ist ein eigenwilliges Mädchen, ein phantastisches Mädchen, ein verrücktes Mädchen! Und boshaft ist sie, boshaft!

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