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Myriams letzte Chance

Myriams letzte Chance

Titel: Myriams letzte Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luzie Bosch
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Die Außenseiterin
    Als Myriam ihr das Zaumzeug über die Ohren schieben wollte, warf Camilla unwillig den Kopf zurück. Sie schnaubte und versuchte sich in der engen Box abzuwenden.
    â€žRuhig, schschsch!“ Myriam kraulte die Freibergerstute zwischen den Ohren, bis sich das Pferd ein wenig entspannte.
    â€žBist du so weit?“, fragte Hannah über die Abtrennung der Boxen hinweg. Myriams beste Freundin hatte ihren Wallach Acapulco schon vor fünf Minuten gesattelt, während Camilla noch nicht einmal aufgezäumt war.
    â€žIch komm gleich. Nur noch einen Moment“, gab Myriam zurück, ohne sich umzuwenden.
    â€žIch warte draußen auf dich“, sagte Hannah.
    Myriam hörte, wie Acapulcos Hufe über die Stallgasse klapperten. Dann schlug die Tür zu. Sie war allein.
    Allein mit Camilla, die sich eng an die Abtrennung ihres Verschlags drängte.
    â€žWas ist los, Camilla?“, fragte Myriam. „Wir kennen uns doch schon so lange. Du weißt, dass du keine Angst vor mir haben musst.“ Ihre Stimme klang weinerlich, unsicher. Das war ganz schlecht. Wenn man ein Pferd beruhigen wollte, musste man Selbstsicherheit und Stärke vermitteln, auch wenn man sich gerade nicht danach fühlte.
    Das hatte Myriam in den letzten Monaten doch gelernt. Neben einigen anderen Dingen.
    Energisch schob sie die Erinnerungen weg und zog das Zaumzeug mit Nachdruck über Camillas Kopf. Die Fuchsstute bleckte die Zähne.
    â€žRuhig, Camilla“, sagte Myriam noch einmal. Diesmal klang ihre Stimme fester.
    Camilla zögerte einen Moment. Dann senkte sie den Kopf.
    Die anderen Pferdemädchen saßen bereits im Sattel, als Myriam die Stute endlich aus dem Stall führte. Die anderen – das waren Hannah und ihre Klassenkameradinnen Tori, Sina, Ayla und Juliana. Sie gingen alle aufs Friederike-Fliedner-Gymnasium. Bisher waren sie in der 7a gewesen, aber nach den Ferien würden sie in die achte Klasse wechseln.
    Bis es so weit war, war es glücklicherweise noch lange hin. Vor ihnen lagen sechseinhalb herrliche Wochen ohne Hausaufgaben, Arbeiten und Tests. Sechseinhalb Wochen, in denen sich die Freundinnen voll und ganz auf das konzentrieren konnten, was wirklich wichtig war: die Sunshine Ranch. Vor fünf Jahren hatte die Amerikanerin Sue den verfallenen Pferdehof gekauft und zu einem Tierparadies umgebaut. Inzwischen gab es nicht nur zehn Pferde und ein Fohlen auf der Ranch, sondern auch den Esel Fritz, die Hängebauchschweine Horst und Klothilde, die Ziege Ilka und zahllose Gänse, Enten und Hühner. Nicht zu vergessen Washington und Heinrich. Die beiden Hunde der Ranch trotteten gerade aus der Scheune.
    â€žWie wär’s mit einem kleinen Ausritt, ihr beiden?“, rief Juliana ihnen zu.
    Washington würdigte die Mädchen keines Blickes. Stattdessen schleppte sich der riesige Neufundländer in den Schatten vor der Scheune, ließ sich zu Boden plumpsen und schloss die Augen. Er hasste Ausritte. Manchmal zwang ihn Sue, sie zu begleiten, dann trabte er widerwillig neben ihr und dem Pferd her. Aber freiwillig? Niemals!
    Der zottelige Heinrich, der dem Verwalter der Ranch gehörte, trippelte dagegen aufgeregt hin und her. Er warf den Mädchen auf den Pferden sehnsüchtige Blicke zu. Aber seinen Freund Washington verlassen? Das ging auch nicht …
    â€žKönnen wir?“, fragte Tori und schob ungeduldig eine weißblonde Haarsträhne unter ihren Helm.
    Myriam schwang sich in den Sattel und nickte. „Klar.“
    Hintereinander trabten die sechs vom Hof, Tori an der Spitze, Myriam als Letzte.
    Als sie die Wiese vor dem Wald erreicht hatten, ließ Hannah sich zurückfallen und lenkte Acapulco neben Camilla. „Schön hier, was?“
    Myriam lächelte.
    Es war nicht nur schön, es war geradezu traumhaft. Die Sonne fiel durch die Blätter der Buchen am Waldrand und malte ein flirrendes Muster auf das Gras.
    Myriam lehnte sich nach vorn und atmete Camillas vertrauten warmen Geruch ein. Sie schloss die Augen und lauschte dem gleichmäßigen Schnauben der Stute, dem dumpfen Geräusch der Hufe auf dem Trampelpfad, dem Vogelgezwitscher im Wald. Auf der Wiese summten Bienen und Hummeln. Es war wie Musik.
    â€žSchade, dass Hannes nicht mitkommen konnte!“, rief Tori über die Schulter zurück. „Hast du schon was von ihm gehört, Hannah?“
    â€žNoch nicht“, gab Hannah zurück. „Und du?

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