Der Idiot
willst, aber das geht so nicht länger! Unmöglich, unmöglich, unmöglich! Und was ist das für eine Manier: er hat sich vergangen und trumpft dabei noch auf. Wie ein störrisches Tier: ›Ich will nicht ins Tor, reiß den Zaun nieder!‹ Warum sitzt du so da? Was machst du denn für ein Gesicht?«
»Mein Gesicht ist wie immer«, erwiderte Warja mißvergnügt. Ganja sah sie genauer an. »Bist du dort gewesen?« fragte er plötzlich.
»Ja.«
»Warte, da schreit er wieder! Es ist eine Schande, und noch dazu in einer solchen Zeit!«
»Was meinst du damit: ›in einer solchen Zeit?‹ Es ist doch keine besondere Zeit.«
Ganja betrachtete seine Schwester noch aufmerksamer.
»Hast du etwas erfahren?« fragte er.
»Nein, wenigstens nichts Unerwartetes. Ich habe erfahren, daß das alles seine Richtigkeit hat. Mein Mann hat gegen uns beide recht behalten; es ist so gekommen, wie er es gleich von Anfang an vorhergesagt hat. Wo ist er denn?«
»Er ist nicht zu Hause. Was ist denn also geschehen?«
»Der Fürst ist regulärer Bräutigam; die Sache ist entschieden. Die beiden älteren Schwestern haben mir gesagt, Aglaja habe eingewilligt; sie verheimlichen es nicht einmal mehr, während dort bisher eine arge Geheimniskrämerei stattfand. Adelaidas Hochzeit wird von neuem verschoben, damit beide Hochzeiten gleichzeitig gefeiert werden können, an demselben Tag – sehr romantisch! Es mutet einen ganz poetisch an. Du solltest lieber ein Hochzeitsgedicht verfassen, statt so unnütz im Zimmer umherzulaufen. Heute abend wird die alte Bjelokonskaja bei ihnen sein; sie ist gerade zur rechten Zeit angekommen; es werden auch noch mehr Gäste da sein. Sie werden ihn der alten Bjelokonskaja vorstellen, wiewohl er schon mit ihr bekannt ist; es scheint, daß die Verlobung bekanntgegeben werden soll. Sie fürchten nur, daß er irgend etwas hinfallen läßt oder zerschlägt, wenn er zu den Gästen ins Zimmer kommt, oder auch daß er selbst hinplumpst; denn dessen kann man sich bei ihm versehen.«
Ganja hörte sehr aufmerksam zu; aber zur Verwunderung seiner Schwester übte diese ihrer Meinung nach für ihn überraschende Nachricht anscheinend auf ihn gar nicht eine besonders überraschende Wirkung aus.
»Nun gut; das war ja schon lange klar«, sagte er nach kurzem Nachdenken. »Also nun ist das zu Ende!« fügte er mit einem eigentümlichen Lächeln hinzu, indem er seiner Schwester verschmitzt ins Gesicht sah und immer noch fortfuhr, im Zimmer auf und ab zu gehen, wiewohl jetzt weit langsamer.
»Es ist nur gut, daß du es mit philosophischer Ruhe aufnimmst; ich freue mich darüber wirklich«, sagte Warja.
»Nun sind wir eine Last von den Schultern los; wenigstens du.«
»Ich glaube, dir aufrichtig gedient zu haben, ohne mein eigenes Urteil hineinzumischen und ohne dich mit Fragen zu belästigen; ich habe dich nicht gefragt, welches Glück du an Aglajas Seite zu finden hofftest.«
»Aber habe ich denn überhaupt ... ein Glück an Aglajas Seite zu finden gehofft?«
»Na, bitte, laß dich nicht auf philosophische Betrachtungen ein! Jedenfalls ist es jetzt so. Wir sind abgetan. Wir sind die Leidtragenden. Ich muß dir gestehen, ich habe diese Sache nie als etwas Ernstes betrachten können; ich habe sie nur so ›für alle Fälle‹ betrieben und dabei meine Spekulation auf den komischen Charakter des Mädchens gegründet; vor allen Dingen aber wollte ich dir eine Freude machen; es war eine Wahrscheinlichkeit von neunzig Prozent, daß es mißlingen werde. Ich für meine Person weiß sogar jetzt nicht einmal, was du eigentlich erstrebt hast.«
»Jetzt werdet ihr, du und dein Mann, mich dazu drängen, wieder in den Dienst zu treten, und werdet mir Predigten über Beharrlichkeit und Willenskraft halten, und daß man das Kleine nicht geringschätzen dürfe, und so weiter. Ich weiß es schon auswendig!« sagte Ganja lachend.
»Er hat irgend etwas Neues im Sinne!« dachte Warja.
»Nun, wie steht es jetzt dort? Die Eltern freuen sich wohl?« fragte Ganja plötzlich.
»Es scheint nicht. Übrigens kannst du dir das ja selbst zurechtlegen. Iwan Fjodorowitsch ist zufrieden; die Mutter ist ängstlich; sie hat bekanntlich von jeher einen Widerwillen gegen die Vorstellung gehabt, daß er der Bräutigam ihrer Tochter werden könnte.«
»Danach frage ich nicht; er ist ein unmöglicher, undenkbarer Bräutigam, das ist klar. Ich frage nach der jetzigen Situation, wie es jetzt dort steht. Hat sie ihr formelles Jawort gegeben?«
»Sie hat bis
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