Der Idiot
weggegeben hatte, bereute er nachher tausendmal, obwohl er sich fortwährend damit brüstete. Er weinte wirklich während der drei Tage, die der Fürst damals in Petersburg zubrachte; aber in diesen drei Tagen warf er auch schon einen Haß auf den Fürsten, weil dieser ihn gar zu mitleidsvoll behandelte, obwohl doch eine solche Handlung, wie es die Rückgabe einer so großen Geldsumme war, »nicht jeder fertiggebracht haben würde«. Aber die achtungswerte Selbsterkenntnis, daß sein ganzer Kummer nur von ununterbrochener Verletzung seiner Eitelkeit herkam, quälte ihn schrecklich. (Erst lange nachher gelangte er zu einem klareren Urteil und zu der Erkenntnis, was für eine ernste Wendung sein Verhältnis zu einem so unschuldigen, eigenartigen Wesen wie Aglaja hätte nehmen können.) Die Reue nagte an seinem Herzen; er gab seine Stelle auf und vergrub sich in seinen Gram und seine Trübsal. Er lebte mit seinem Vater und seiner Mutter bei Ptizyn auf dessen Kosten, bezeigte diesem aber unverhohlen seine Geringschätzung, wiewohl er gleichzeitig auf seine Ratschläge hörte und verständig genug war, ihn fast immer um solche zu bitten. Gawrila Ardalionowitsch ärgerte sich zum Beispiel auch darüber, daß Ptizyn nicht darauf ausging, ein Rothschild zu werden, und sich dies nicht als Ziel gesetzt hatte. »Wenn man einmal ein Wucherer ist, dann muß man es auch gründlich sein, Charakter zeigen, die Leute schinden, Geld aus ihnen prägen, ärger als der ärgste Jude verfahren!« Ptizyn war ein bescheidener, stiller Mensch; er lächelte nur zu solchen Reden; aber einmal hielt er es doch für nötig, sich Ganja gegenüber ernsthaft auszusprechen, und führte das sogar mit einer gewissen Würde aus. Er wies ihn darauf hin, daß er nichts Unehrliches tue, und daß Ganja ihn ohne Berechtigung einen Juden nenne; er könne nichts dafür, daß es so schwer sei, zu Geld zu kommen; er handle rechtlich und ehrenhaft und sei eigentlich bei »diesen Geschäften« nur Agent; aber infolge seiner geschäftlichen Zuverlässigkeit sei er schon hervorragenden Persönlichkeiten vorteilhaft bekannt geworden, und seine Geschäfte gewönnen immer mehr an Ausdehnung. »Ein Rothschild werde ich nicht werden, und das ist auch nicht nötig«, fügte er lachend hinzu; »aber zu einem Haus in der Liteinaja-Straße werde ich es wohl bringen, vielleicht auch zu zweien, und damit werde ich abschließen.« Im stillen aber dachte er: »Wer weiß, vielleicht auch zu dreien!«, sprach das aber nie laut aus, sondern verbarg diese Zukunftsphantasie. Das Schicksal liebt solche Menschen und verfährt gegen sie freundlich: es wird Herrn Ptizyn nicht mit drei, sondern gewiß mit vier Häusern belohnen, und zwar gerade dafür, daß er von seiner Kindheit an gewußt hat, er werde nie ein Rothschild werden. Aber andererseits wird das Schicksal unter keinen Umständen über vier Häuser hinausgehen, und damit wird die Sache für Ptizyn ihren Abschluß finden.
Eine ganz andersartige Persönlichkeit war Gawrila Ardalionowitschs Schwester. Auch sie war von einem kräftigen Streben erfüllt, das aber mehr den Charakter der Beharrlichkeit als den stoßweiser Heftigkeit trug. Sie bewies viel Verstand, wenn eine Sache zu dem entscheidenden Punkt gelangt war; aber es mangelte ihr auch schon vorher nicht daran. Allerdings gehörte auch sie zu der Klasse der »gewöhnlichen« Leute, die von Originalität träumen; aber sie erkannte doch sehr bald, daß sie keine Spur von besonderer Originalität besaß, und grämte sich darüber nicht allzu sehr – wer weiß, vielleicht aus einer eigenen Art von Stolz. Ihren ersten Schritt ins praktische Leben führte sie mit großer Entschlossenheit aus, indem sie Herrn Ptizyn heiratete; aber indem sie das tat, sagte sie ganz und gar nicht zu sich selbst: »Will man gemein handeln, dann gründlich, wenn man nur sein Ziel erreicht«, wie Gawrila Ardalionowitsch in solchem Fall nicht unterlassen hätte sich auszudrücken (er war nahe daran, sich vor ihren eigenen Ohren so auszudrücken, als er als älterer Bruder seine Billigung ihres Entschlusses aussprach). Vielmehr heiratete Warwara Ardalionowna ganz im Gegenteil erst, nachdem sie zu der wohlbegründeten Überzeugung gelangt war, daß ihr künftiger Gatte ein bescheidener, angenehmer, beinah gebildeter Mann sei und größere Gemeinheiten nie und um keinen Preis begehen werde. Nach kleineren Gemeinheiten fragte Warwara Ardalionowna nicht; das waren eben Kleinigkeiten, und solche
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