Der Idiot
begannen mit ihm zu reden und redeten so freundlich, vor allem Lisaweta Prokofjewna: sie sprach lachend und sagte etwas sehr, sehr Herzliches. Auf einmal fühlte er, daß Iwan Fjodorowitsch ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte; auch Iwan Petrowitsch lachte; aber noch netter, reizender und liebenswürdiger benahm sich der Alte; er faßte den Fürsten bei der Hand, drückte sie sanft und schlug mit der flachen andern Hand leise darauf, wobei er ihm zuredete, wieder zu sich zu kommen, wie man das mit einem erschrockenen kleinen Knaben macht, was dem Fürsten sehr gefiel, und endlich veranlaßte er ihn, sich unmittelbar neben ihn zu setzen. Der Fürst blickte ihm mit einem wonnigen Gefühl ins Gesicht und war immer noch nicht imstande etwas herauszubringen, da ihm der Atem fehlte; das Gesicht des Alten gefiel ihm außerordentlich.
»Wie?« murmelte er endlich; »Sie verzeihen mir wirklich? Auch ... auch Sie, Lisaweta Prokofjewna?«
Das Gelächter nahm zu; dem Fürsten kamen die Tränen in die Augen; er traute seinen Sinnen nicht; und war wie bezaubert.
»Gewiß, es war eine schöne Vase. Ich erinnere mich, sie hier schon seit ungefähr fünfzehn Jahren gesehen zu haben, ja ... seit fünfzehn Jahren ...«, begann Iwan Petrowitsch.
»Ach was! Was ist das für ein Unglück! Auch ein Mensch muß ja einmal ein Ende nehmen; wie wird man da um einen irdenen Topf viel Wesens machen!« sagte Lisaweta Prokofjewna laut. »Hast du denn wirklich einen solchen Schreck bekommen, Ljow Nikolajewitsch?« fügte sie in besorgtem Ton hinzu. »Laß es gut sein, liebster Freund, laß es gut sein! Du ängstigst mich sonst wirklich.«
»Und Sie verzeihen mir
alles? Alles,
auch abgesehen von der Vase?« sagte der Fürst und wollte sich von seinem Platz erheben; aber der Alte zog ihn sogleich an der Hand wieder nieder.
Er wollte ihn nicht loslassen.
»C'est très curieux et c'est très sérieux!« flüsterte er über den Tisch Iwan Petrowitsch zu, übrigens ziemlich laut.
Der Fürst hatte es vielleicht gehört.
»Ich habe also niemand von Ihnen beleidigt? Sie glauben gar nicht, wie glücklich mich dieser Gedanke macht! Aber es konnte ja auch nicht anders sein! Konnte sich denn hier jemand durch mich beleidigt fühlen? Ich beleidige Sie wieder, indem ich so etwas auch nur denke.«
»Beruhigen Sie sich, mein Freund; das ist eine Übertreibung. Sie haben auch gar keinen Grund, sich so zu bedanken, das ist ja ein schönes, aber übertriebenes Gefühl.«
»Ich danke Ihnen auch gar nicht; ich sehe Sie nur voller Freude an und fühle mich bei Ihrem Anblick so glücklich. Vielleicht rede ich dumm; aber ... ich muß reden, ich muß Ihnen alles erklären ... wenn auch nur aus Selbstachtung.«
Alles an ihm war aufgeregt, unklar und fieberhaft; gut möglich, daß die Worte, die er herausbrachte, oft nicht die waren, die er hatte sagen wollen. Er schien mit seinem Blick zu fragen, ob er reden dürfe. Sein Blick fiel auf die alte Bjelokonskaja.
»Meinetwegen, lieber Freund, fahre nur fort, fahre nur fort; nur komm nicht außer Atem!« bemerkte diese; »du hast auch vorhin schon Atemnot gehabt, und du siehst ja, wie arg es damit geworden ist. Aber fürchte dich nicht zu reden: diese Herren haben schon wunderlichere Käuze gesehen, wie du einer bist; du setzt die weiter nicht in Erstaunen. Und du bist ja auch gar nicht Gott weiß was für ein Sonderling; du hast nur eine Vase zerbrochen und uns einen Schreck eingejagt.«
Der Fürst lächelte, als er sie das sagen hörte.
»Sie waren es ja«, wandte er sich plötzlich an den Alten, »Sie waren es ja, der vor drei Monaten den Studenten Podkumow und den Beamten Schwabrin vor der Verschickung rettete?«
Der Alte errötete sogar ein wenig und murmelte, er möge sich doch beruhigen.
»Und über Sie habe ich im ...sker Gouvernement gehört«, wandte er sich sofort an Iwan Petrowitsch, »daß Sie Ihren abgebrannten Bauern, obwohl sie schon freigelassen waren und Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet hatten, umsonst Holz zum Bauen gegeben haben!«
»Nun, das ist eine Ü-ber-treibung«, murmelte Iwan Petrowitsch, nahm aber, angenehm berührt, eine würdevolle Haltung an.
Diesmal jedoch hatte er vollkommen recht damit, daß das eine Übertreibung sei; es war nur ein unzutreffendes Gerücht gewesen, das dem Fürsten zu Ohren gekommen war.
»Und Sie, Fürstin«, wandte er sich auf einmal mit strahlendem Lächeln zu der alten Bjelokonskaja, »haben Sie mich nicht vor einem halben Jahr in Moskau auf
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