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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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beobachtete ihn unterdessen aufmerksam, und alles, was er wahrnahm, das heißt die Schnelligkeit der Fragen, ihre Geradheit, die Verwirrung des Fürsten und gleichzeitig eine gewisse sonderbare Offenherzigkeit, Unruhe und Aufregung, alles dies versetzte ihn in nicht geringe Verwunderung. Er machte übrigens in liebenswürdiger Weise dem Fürsten von allem eingehende Mitteilung; dieser wußte vieles noch nicht, und dies war der erste Bote, der von jener Familie zu ihm kam. Er bestätigte, daß Aglaja tatsächlich krank gewesen sei und drei Nächte hintereinander fast gar nicht geschlafen, sondern immer gefiebert habe; jetzt gehe es ihr besser, und sie befinde sich außer aller Gefahr, aber in einem nervösen, hysterischen Zustand. Ein Glück sei noch, daß in der Familie der vollste Friede herrsche. Aglajas Angehörige seien darauf bedacht, alle Hindeutungen auf die Vergangenheit zu vermeiden, und zwar sogar, wenn sie unter sich seien, nicht nur in Aglajas Gegenwart. Die Eltern hätten schon unter sich über eine Reise ins Ausland gesprochen, die im Herbst, gleich nach Adelaidas Hochzeit, stattfinden solle; Aglaja habe die ersten Mitteilungen darüber schweigend entgegengenommen. Er, Jewgeni Pawlowitsch, werde vielleicht ebenfalls ins Ausland reisen. Sogar Fürst Schtsch. habe vor, dies mit Adelaida zusammen für ungefähr zwei Monate zu tun, wenn seine Geschäfte es ihm erlauben würden. Der General selbst werde in Petersburg bleiben. Jetzt seien sie alle nach ihrem Gut Kolmino, etwa zwanzig Werst von Petersburg, übergesiedelt, wo sich ein herrschaftliches Gutshaus befinde. Die alte Bjelokonskaja sei noch nicht nach Moskau zurückgereist und, wie es scheine, sogar absichtlich noch dageblieben. Lisaweta Prokofjewna habe energisch erklärt, es sei nach allem Vorgefallenen unmöglich, in Pawlowsk zu bleiben; er, Jewgeni Pawlowitsch, habe ihr täglich von den im Ort umlaufenden Gerüchten Mitteilung gemacht. Nach ihrem auf der Jelagin-Insel gelegenen Landhaus überzusiedeln, hätten sie ebenfalls nicht für möglich erachtet.
    »Na ja, und in der Tat«, fügte Jewgeni Pawlowitsch hinzu, »das müssen Sie selbst zugeben: konnten sie es etwa hier aushalten ...? Besonders da sie wußten, was bei Ihnen hier in Ihrem Haus allstündlich vorging, Fürst, und da Sie, trotz der Zurückweisung, dort täglich einen Besuch machten ...«
    »Ja, ja, ja, Sie haben recht; ich wollte Aglaja Iwanowna sprechen ...«, erwiderte der Fürst und nickte wieder mit dem Kopf.
    »Ach, lieber Fürst«, rief Jewgeni Pawlowitsch mit großer Lebhaftigkeit und Betrübnis, »wie konnten Sie nur damals zugeben, daß das alles geschah? Gewiß, gewiß, das kam Ihnen alles so unerwartet ... Ich gebe zu, daß Sie die Geistesgegenwart verlieren mußten und ... außerstande waren, das von Sinnen gekommene Mädchen zurückzuhalten; das lag nicht in Ihrer Macht! Aber das mußten Sie doch begreifen, wie ernst und stark die Empfindungen dieses Mädchens Ihnen gegenüber waren. Sie wollte nicht mit einer andern teilen; wie haben Sie nur einen solchen Schatz wegwerfen und zerstören können!«
    »Ja, ja, Sie haben recht; ja, ich habe mich schuldig gemacht«, sagte der Fürst wieder in tiefem Kummer. »Aber wissen Sie: sie war die einzige, Aglaja war die einzige, die so über Nastasja Filippowna urteilte ... Alle übrigen Menschen urteilten anders über sie.«
    »Ja, das ist ja eben das Empörende, daß gar nichts Ernstes vorlag!« rief Jewgeni Pawlowitsch, der ganz in Eifer geriet. »Verzeihen Sie mir, Fürst; aber ... ich ... ich habe darüber nachgedacht, Fürst, habe viel darüber nachgedacht; ich weiß alles, was früher vorgegangen ist; ich weiß alles, was vor einem halben Jahr geschehen ist, alles, und ... all das war nichts Ernstes! All das war nur ein leichter Rausch des Kopfes, nicht des Herzens, eine phantastische Laune, ein verwehender Rauch, und nur die ängstliche Eifersucht eines ganz unerfahrenen Mädchens konnte das für etwas Ernstes halten ...!«
    Und nun ließ Jewgeni Pawlowitsch ganz ungeniert seiner Entrüstung freien Lauf. Verständig und klar und (wir wiederholen es) sogar mit außerordentlicher psychologischer Einsicht entwarf er dem Fürsten ein Bild der gesamten früheren Beziehungen desselben zu Nastasja Filippowna. Jewgeni Pawlowitsch hatte von jeher die Gabe des Wortes besessen; jetzt aber bewies er geradezu ein hohes Rednertalent. »Die Beziehungen zwischen Ihnen beiden«, begann er, »hatten gleich von Anfang an etwas Unwahrhaftes;

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