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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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fragte, was für eine Antwort ich bestellen solle, da sagte sie, keine Antwort werde die beste Antwort sein. Ich meine, so war es; entschuldigen Sie, wenn ich den genauen Wortlaut vergessen habe; ich habe es Ihnen so mitgeteilt, wie ich es selbst verstanden habe.«
    Ein grenzenloser Zorn bemächtigte sich Ganjas, und seine Wut kam unhemmbar zum Ausbruch.
    »Ah! So steht es!« rief er zähneknirschend. »Also meine Briefe werden aus dem Fenster geworfen! Ah! Auf Handelsgeschäfte will sie sich nicht einlassen – nun, so werde ich es tun! Wir wollen einmal sehen! Ich habe noch viele Hilfsmittel ... wir wollen einmal sehen ...! Ich will sie schon kirre machen!«
    Sein Gesicht verzerrte sich; er wurde ganz blaß; sein Mund schäumte; er drohte mit der Faust. So gingen sie einige Schritte. Vor dem Fürsten legte er sich nicht den geringsten Zwang auf; er benahm sich so, als wäre er in seinem Zimmer und ganz allein; den Fürsten betrachtete er geradezu als eine Null. Aber auf einmal fiel ihm etwas ein, und er kam zur Besinnung.
    »Aber wie geht es zu«, wandte er sich plötzlich an den Fürsten, »wie geht es zu, daß Sie« (»so ein Idiot!« fügte er im stillen hinzu) »auf einmal eine solche Vertrauensstellung einnehmen, zwei Stunden nach der ersten Bekanntschaft? Wie geht das zu?«
    Bei all seinen Qualen hatte nur noch der Neid gefehlt, der nun auf einmal sein Herz schmerzhaft packte.
    »Das weiß ich Ihnen allerdings nicht zu erklären«, antwortete der Fürst.
    Ganja warf ihm einen grimmigen Blick zu.
    »Da hat sie Sie wohl ins Eßzimmer gerufen, um Ihnen ihr Vertrauen zu schenken? Denn daß sie Ihnen etwas schenken wolle, hatte sie ja vorher gesagt.«
    »Ich kann es nicht anders auffassen als in dieser Weise.«
    »Aber zum Teufel, wodurch haben Sie denn das verdient? Was haben Sie denn so Dankenswertes dort getan? Wodurch haben Sie so gefallen? Hören Sie einmal«, sagte er hastig (in seinem Geist war zur Zeit alles gleichsam bunt durcheinandergeworfen und befand sich in ärgster Unordnung, so daß er mit seinen Gedanken nicht zurechtkommen konnte), »hören Sie einmal, können Sie sich nicht wenigstens einigermaßen erinnern und der Reihe nach erzählen, wovon Sie dort eigentlich gesprochen haben, alle Ihre Worte, von Anfang an? Haben Sie irgend etwas Eigenartiges geäußert, besinnen Sie sich nicht?«
    »Oh ja, sehr wohl«, antwortete der Fürst. »Gleich am Anfang, als ich hereingekommen und mit den Damen bekannt geworden war, sprachen wir über die Schweiz.«
    »Ach, hol die Schweiz der Teufel!«
    »Dann über die Todesstrafe.«
    »Über die Todesstrafe?«
    »Ja, das Gespräch führte uns darauf ... Dann erzählte ich ihnen, wie ich dort vier Jahre gelebt habe, und eine Geschichte von einem armen Bauernmädchen ...«
    »Ach, zum Teufel mit dem armen Bauernmädchen! Weiter!« drängte Ganja ungeduldig.
    »Dann, wie Schneider mir seine Ansicht über meinen Charakter aussprach und mich nötigte ...«
    »Hol Ihren Schneider der Henker; was scheren mich seine Ansichten! Weiter!«
    »Dann fing ich bei irgendeinem Anlaß an, von Gesichtern zu sprechen, das heißt von dem Ausdruck der Gesichter, und sagte, Aglaja Iwanowna sei fast ebenso schön wie Nastasja Filippowna. Und da kam ich denn auch auf das Bild zu sprechen ...«
    »Aber Sie haben nichts von dem mitgeteilt, Sie haben doch nichts von dem mitgeteilt, was Sie vorher im Arbeitszimmer gehört hatten? Nein? Nein?«
    »Ich wiederhole Ihnen, daß ich es nicht getan habe.«
    »Aber woher dann, zum Teufel ... Ha! Hat Aglaja den Brief etwa der Alten gezeigt?«
    »Was das betrifft, kann ich Ihnen bestimmt garantieren, daß sie ihn ihr nicht gezeigt hat. Ich war die ganz Zeit dabei; sie hatte auch gar keine Zeit dazu.«
    »Aber vielleicht haben Sie selbst etwas nicht bemerkt ... Oh, dieser ver-r-dammte Idiot!« schrie er auf einmal ganz außer sich, »er kann nicht einmal etwas erzählen!«
    Ganja, der nun einmal ins Schimpfen hineingeraten war und keinen Widerstand fand, verlor allmählich alle Selbstbeherrschung, wie das bei manchen Menschen immer so geht. Es fehlte nicht viel, und er hätte vielleicht zu spucken begonnen, so wütend war er. Aber eben infolge dieser Wut war er auch wie blind; sonst hätte er längst bemerken müssen, daß dieser »Idiot«, den er so verächtlich behandelte, manche Dinge sehr schnell und genau durchschaute und außerordentlich klar darzustellen wußte. Aber auf einmal begab sich etwas Unerwartetes.
    »Ich muß Ihnen bemerken, Gawrila

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