DS008 - Die unsichtbare Legion
1.
Leo Bell war Schalterbeamter in einem Bostoner Telegrafenbüro. Leo stand mit beiden Beinen fest auf der Erde. Auf keinen Fall glaubte er an Gespenster. Und an jenem Abend um Punkt zehn Uhr, als er an seinem Schalter die kleinen Stapel mit den leeren Telegrammformularen zurechtrückte, verschwendete er ganz gewiß keinen Gedanken an die Welt der Geister.
Fünf Minuten später erhielt Leos Überzeugung, daß es keine Gespenster gäbe, einen schweren Stoß.
Zufällig war Leo ein strebsamer junger Mann, der sich sehr bemühte, seine Kunden freundlich zu bedienen. Vor seinem Schalter mußten stets vier Stapel dieser Telegrammformulare bereitliegen, so daß seine Kunden nur heranzutreten und sie auszufüllen brauchten. Und er vergewisserte sich, daß sie auch leer und in einwandfreiem Zustand waren. Schlampige Kunden bekritzelten sie nämlich mitunter und benutzten sie als Notizzettel. Aber diesmal waren die Formulare alle unbeschrieben, Leo erinnerte sich später ganz deutlich daran.
Leo stand da also an dem einen Ende der Schaltertheke und wartete auf Kunden. Aber niemand erschien. Auch daran erinnerte Leo sich später ganz genau. Nicht einmal auf der Straße ging jemand vorbei. Es war ein sehr ruhiger Abend.
Dann stürzte plötzlich der Papierkorb um.
Der Papierkorb stand nicht genau dort, wo er eigentlich stehen sollte, nämlich neben den Schreibpulten, sondern einen Meter davor. Geräuschvoll kippte er um, und der Inhalt wurde über den Boden verstreut.
Leo Bell lehnte sich vor und starrte entsetzt auf das Durcheinander. Er befeuchtete mit der Zungenspitze die Lippen und strich sich mit der Hand über die Augen. Er glaubte zunächst, ein Hund oder eine Katze sei vielleicht in den Papierkorb geraten. Aber als er um die Schaltertheke herumging, sah er weder eine Katze noch einen Hund.
Leo richtete den Papierkorb wieder auf, stand da und kratzte sich den Kopf. Er überlegte noch, wer oder was den Papierkorb umgestoßen haben könnte, da erhielt er schon seinen nächsten Schock.
Die Telegrammformulare waren, als er sie vor ein paar Minuten überprüft hatte, alle unbeschrieben gewesen. Jetzt aber las er auf dem einen in großen, etwas unsicheren Buchstaben deutlich folgende Worte:
DOC SAVAGE NEW YORK CITY
LEBENSGEFAHR FÜR TAUSENDE STOP IHR SOFORTIGES EINGREIFEN ERFORDERLICH STOP BESTEIGEN SIE MORGEN MITTAG IN BOSTON MASCHINE DER EXCELSIOR AIRWAYS NACH NEW YORK STOP SCHLAGE VOR SIE BENUTZEN VERKLEIDUNG UND MACHEN SICH AUF ALLE ARTEN VON ÜBERRASCHUNGEN GEFASST
A.N.ONYMUS (Powder Road 1440)
Verblüfft starrte Leo Bell auf das Formular. Er sah, es trug keinen Vermerk, aus dem hervorging, daß der Empfänger die Telegrammgebühren zahlen sollte. Kopfschüttelnd ging er mit dem Formular in den hinteren Raum, zum Chef vom Nachtdienst.
»Ich habe hier ein Telegramm an einen Doc Savage in New York City«, sagte er. »Aber ohne genaue Adresse können wir das doch nicht befördern.«
»Sagen Sie mal, wo leben Sie eigentlich – hinter dem Mond?« fragte der Nachtdienstmanager anzüglich.
»Wie bitte?« Leo blinzelte.
»Ich dachte, jeder hätte schon mal von Doc Savage gehört.«
»Wer ist das denn?« fragte Leo.
Der Nachtdienstmanager setzte zu einer längeren Erklärung an, aber dann überlegte er es sich anders.
»Warten Sie«, sagte er, »ich werde Ihnen etwas zeigen.«
Er ging zu seinem Schreibtisch hinüber, auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag. Leo hatte dieses Buch schon oft dort gesehen. Es behandelte die wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten zehn Jahre. Der Nachtdienstmanager war allen Mitarbeitern im Telegrafenbüro als bildungshungrig bekannt.
»Da, lesen Sie mal«, sagte er und deutete auf einen Absatz.
Die genauesten Untersuchungen über die Refraktionen an mehrfach brechenden Kristallen wurden von Clark Savage junior durchgeführt (bekannt unter dem Namen Doc Savage).
Leo Bell fragte: »Was sind mehrfach brechende Kristalle?«
»Dazu müßte ich Ihnen einen halbstündigen Vortrag halten«, sagte der Nachtdienstmanager. »Lassen wir es also lieber.«
Er schlug in der Rubrik »Chirurgie« nach und deutete auf einen anderen Absatz.
Eine der großartigsten Methoden der letzten Jahre, bei Hirnoperationen hypertonische Lösungen in empfindliches Gewebe zu injizieren, wurde von Doc Savage entwickelt.
»Mann«, sagte Leo und schluckte, »dieser Doc Savage scheint wirklich allerhand auf dem Kasten zu haben.«
Der Nachtdienstmanager grinste. »In den Kapiteln über Chemie und
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