Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Ihre Absicht sofort zur Ausführung bringen. Ich bin Ihrer schon recht überdrüssig. Wie! Sie entschließen sich endlich, uns allein zu lassen, Fürst?« schrie er den Fürsten an, als er sah, daß dieser sich von seinem Platz erhob.
    Aus Ganjas Stimme konnte man schon jenen Grad von Gereiztheit heraushören, bei dem der Mensch beinah Freude über seine eigene Gereiztheit empfindet und sich diesem Gefühl ohne jeden weiteren Versuch der Selbstbeherrschung überläßt, ordentlich mit wachsendem Genuß, mag nun daraus entstehen, was da will. Der Fürst, schon in der Tür, drehte sich um, um etwas zu erwidern; aber als er an dem krankhaft erregten Gesichtsausdruck seines Beleidigers sah, daß hier nur noch der letzte Tropfen fehlte, der das Gefäß zum Überlaufen bringt, da wandte er sich wieder um und ging schweigend hinaus. Einige Sekunden darauf hörte er an den Stimmen, die aus dem Wohnzimmer heraustönten, daß das Gespräch nach seinem Weggang noch lärmender und rücksichtsloser geworden war.
    Er ging durch das Wohnzimmer in das Vorzimmer, um auf den Korridor und aus diesem in sein Zimmer zu gelangen. Als er dicht bei der nach der Treppe führenden Tür vorbeikam, hörte und sah er, daß auf der andern Seite der Tür sich jemand aus aller Kraft bemühte zu klingeln, die Klingel aber, an der offenbar etwas in Unordnung war, nur zitterte und keinen Ton gab. Der Fürst schob den Riegel zurück, öffnete die Tür und – prallte erstaunt, am ganzen Leib zitternd, zurück: vor ihm stand Nastasja Filippowna. Er erkannte sie sofort nach ihrem Bild.
    Ihre Augen funkelten vor Ärger, als sie ihn erblickte; sie trat, ihn mit der Schulter aus dem Weg stoßend, schnell ins Vorzimmer und sagte zornig, während sie ihren Pelz abwarf:
    »Wenn du zu faul bist, die Klingel in Ordnung zu bringen, so solltest du wenigstens im Vorzimmer sitzen, um zu hören, wenn jemand klopft. Na, und nun hat er den Pelz hinfallen lassen, der Tölpel!«
    Der Pelz lag in der Tat auf dem Fußboden; Nastasja Filippowna hatte nicht abgewartet, daß der Fürst ihn ihr abnahm, sondern ihn ihm selbst, ohne sich umzusehen, nach hinten in die Hände werfen wollen; aber der Fürst hatte nicht Zeit gehabt, ihn aufzufangen.
    »Weggejagt solltest du werden! Geh und melde mich!«
    Der Fürst wollte etwas sagen, war aber so fassungslos, daß er nichts herausbrachte und mit dem Pelz, den er vom Fußboden aufgehoben hatte, nach dem Salon zu ging.
    »Na, jetzt geht er gar mit dem Pelz fort! Wozu nimmst du denn den Pelz mit? Hahaha! Hast du nicht deinen Verstand, wie?«
    Der Fürst kehrte um und blickte sie ganz verstört an; als sie auflachte, lächelte er ebenfalls, war aber immer noch nicht imstande, die Zunge zu bewegen. Im ersten Augenblick, als er ihr die Tür geöffnet hatte, war er blaß gewesen; jetzt aber wurde sein Gesicht plötzlich von dunkler Röte übergossen.
    »Nein, was ist das für ein Idiot!« rief Nastasja Filippowna unwillig und stampfte mit dem Fuß. »Wohin gehst du denn nun? Wen willst du denn melden?«

    »Nastasja Filippowna«, murmelte der Fürst.
    »Woher kennst du mich?« fragte sie ihn schnell. »Ich habe dich nie gesehen! Geh und melde mich ...! Was ist denn da für ein Geschrei?«
    »Sie zanken sich«, antwortete der Fürst und ging nach dem Salon.
    Er trat gerade in einem recht kritischen Augenblick hinein. Nina Alexandrowna stand auf dem Punkt, vollständig zu vergessen, daß sie sich »in alles gefügt« hatte; sie war übrigens dabei, Warjas Verhalten zu verteidigen. Ptizyn, der seinen mit Bleistift beschriebenen Zettel beiseite getan hatte, war ebenfalls auf Warjas Seite getreten. Auch Warja selbst bewies Mut, wie sie denn ganz und gar kein feiges Mädchen war; die Grobheiten ihres Bruders aber wurden mit jedem Wort, das er sprach, ärger und unerträglicher. In solchen Fällen hörte sie gewöhnlich auf zu sprechen und richtete nur schweigend ihre spöttischen, unverwandten Blicke auf den Bruder. Dieses Benehmen hatte, wie sie wußte, die Wirkung, ihn alle Schranken vergessen zu lassen. Gerade in diesem Augenblick trat der Fürst ins Zimmer und rief:
    »Nastasja Filippowna!«
     
Fußnoten
     
    1 Verkleinerungsform für Nikolai. (A.d.Ü.)
     
    2 Verkleinerungsform für Warwara. (A.d.Ü.)
     
     
IX
    Ein allgemeines Stillschweigen folgte; alle blickten den Fürsten an, wie wenn sie ihn nicht verständen und ihn nicht verstehen wollten. Ganja war vor Schreck ganz starr geworden.
    Die Ankunft Nastasja Filippownas, und noch dazu

Weitere Kostenlose Bücher