Der Idiot
Gesicht einen bösartigen Ausdruck annahm. Beinah erschrocken darüber trat er plötzlich unwillkürlich vor.
»Trinken Sie Wasser«, flüsterte er Ganja zu, »und blicken Sie nicht so ...«
Es war klar, daß er das ohne allen Vorbedacht, ohne jede besondere Absicht, nur so im ersten Impuls gesagt hatte; aber seine Worte brachten eine ganz merkwürdige Wirkung hervor. Ganjas ganze Wut schien sich auf einmal gegen den Fürsten zu richten; er faßte ihn an der Schulter und blickte ihn schweigend, rachsüchtig und haßerfüllt an, wie wenn er nicht imstande wäre, ein Wort herauszubringen. Es entstand eine allgemeine Bewegung: Nina Alexandrowna stieß sogar einen leisen Schrei aus. Ptizyn tat beunruhigt einige Schritte nach vorwärts; Kolja und Ferdyschtschenko, die in der Tür erschienen waren, blieben erstaunt stehen; nur Warja behielt ihren Blick unverändert bei, beobachtete aber aufmerksam, was vorging. Sie hatte sich nicht hingesetzt, sondern stand seitwärts neben der Mutter, die Arme über der Brust verschränkt. Aber Ganja gewann schnell die Herrschaft über sich zurück, unmittelbar nachdem er sich so hatte hinreißen lassen, und lachte nervös auf. Er war nun vollständig wieder zu sich gekommen.
»Ja, was soll denn das vorstellen, Fürst? Sind Sie denn ein Arzt?« rief er in möglichst heiterem, treuherzigem Ton. »Sie haben mich geradezu erschreckt! Nastasja Filippowna, ich möchte Ihnen da diesen ganz köstlichen Menschen empfehlend vorstellen, obwohl ich selbst ihn erst seit heute morgen kenne.«
Nastasja Filippowna blickte den Fürsten verwundert an.
»Ein Fürst? Der ein Fürst? Denken Sie sich, ich habe ihn vorhin im Vorzimmer für einen Bedienten gehalten und ihn hergeschickt, um mich anzumelden! Hahaha!«
»Das tut ja nichts, das tut ja nichts!« fiel Ferdyschtschenko ein, der eilig nähertrat und sich freute, daß man zu lachen anfing. »Das tut ja nichts; se non è vero ...«
»Und ich hätte Sie beinahe noch ausgeschimpft, Fürst! Bitte, verzeihen Sie mir ...! Aber Ferdyschtschenko, wie kommt es denn, daß Sie zu dieser Tageszeit hier sind? Ich dachte, Sie würde ich hier ganz gewiß nicht treffen ... Wer ist der Herr nun? Was für ein Fürst? Myschkin?« sagte sie zu Ganja, der ihr inzwischen den Fürsten, welchen er noch immer an der Schulter gefaßt hielt, vorgestellt hatte.
»Unser Untermieter«, wiederholte Ganja.
Sie waren offenbar bemüht, den Fürsten als eine Art von seltener Kuriosität darzustellen (alle sahen darin einen Ausweg aus einer unerquicklichen Situation), und schoben ihn förmlich zu Nastasja Filippowna hin; der Fürst hörte sogar deutlich das Wort »Idiot«, das jemand, wahrscheinlich Ferdyschtschenko, hinter seinem Rücken zur Information für Nastasja Filippowna flüsterte.
»Sagen Sie, warum haben Sie mich denn vorhin nicht aufgeklärt, als ich mich in Ihnen so schrecklich irrte?« fragte Nastasja Filippowna weiter und musterte den Fürsten vom Kopf bis zu den Füßen in der ungeniertesten Weise.
Sie wartete ungeduldig auf seine Antwort, wie wenn sie im voraus völlig überzeugt wäre, daß die Antwort unfehlbar so dumm sein werde, daß sie darüber werde lachen müssen.
»Ich war erstaunt, Sie so plötzlich vor mir zu sehen«, murmelte der Fürst.
»Aber woher wußten Sie denn, daß ich es war? Wo haben Sie mich früher gesehen? Wie geht es nur zu: mir ist tatsächlich, als hätte ich ihn schon irgendwo gesehen! Und gestatten Sie die Frage: warum blieben Sie vorhin so starr auf Ihrem Fleck stehen? Was habe ich denn an mir, das eine solche Wirkung hervorbringen könnte?«
»Nun zu! Zu!« trieb Ferdyschtschenko, der fortfuhr, Gesichter zu schneiden, den Fürsten an. »Zu doch! Oh mein Gott, was für schöne Dinge würde ich auf eine solche Frage antworten! Nun zu doch ...! Wenn Sie da nicht reden, sind Sie ja der reine Tölpel, Fürst!«
»Auch ich würde eine Menge reden, wenn ich Sie wäre«, antwortete ihm der Fürst lachend. »Ihr Bild, das ich vor kurzem sah, hat auf mich einen starken Eindruck gemacht«, fuhr er, zu Nastasja Filippowna gewendet, fort. »Dann habe ich mit Jepantschins von Ihnen gesprochen ... und schon heute früh, noch ehe ich in Petersburg ankam, hat mir Parfen Rogoschin viel von Ihnen erzählt ... Gerade in dem Augenblick, als ich Ihnen die Tür öffnete, hatte ich an Sie gedacht, und da standen Sie plötzlich vor mir.«
»Aber woher wußten Sie denn, wer ich war?«
»Nach dem Bild und ...«
»Und woher noch?«
»Außerdem
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