Der Idiot
weggelaufen, hierher. Ist das wahr? Mir hat es Lebedew so mitgeteilt, und darum bin ich hergereist. Daß ihr euch aber hier wieder geeinigt habt, das habe ich erst gestern zum erstenmal von einem deiner früheren Freunde gehört, von Saljoshew, wenn du es wissen willst. Hierhergefahren bin ich aber in folgender Absicht: ich wollte sie endlich überreden, zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit ins Ausland zu reisen. Sie ist körperlich und seelisch sehr heruntergekommen, namentlich hat ihr Kopf stark gelitten, und sie bedarf meines Erachtens sorgsamster Pflege. Ich wollte sie nicht selbst ins Ausland begleiten, sondern hatte in Aussicht genommen, alles Nötige ohne meine persönliche Anwesenheit einzurichten. Ich sage dir die reine Wahrheit. Wenn es wirklich zutrifft, daß ihr euch wieder geeinigt habt, dann werde ich ihr gar nicht vor Augen treten und auch zu dir nie wieder kommen. Du weißt selbst, daß ich dich nicht täusche, da ich immer gegen dich aufrichtig gewesen bin. Wie ich darüber denke, daraus habe ich dir nie ein Hehl gemacht und habe dir immer gesagt, daß es ihr sicheres Verderben ist, wenn sie deine Frau wird. Und auch dein Verderben wird es sein, vielleicht in noch schlimmerem Grad als das ihre. Wenn ihr euch wieder trenntet, so wäre das für mich eine große Beruhigung; aber zwischen euch Unfrieden zu stiften und euch auseinanderzubringen ist nicht meine Absicht. Sei doch ruhig und hege keinen Argwohn gegen mich! Du weißt ja doch selbst, daß ich niemals dein wirklicher Nebenbuhler gewesen bin, selbst damals nicht, als sie sich zu mir geflüchtet hatte. Du lachtest jetzt eben, und ich weiß, warum du es tust. Aber wir haben dort getrennt gelebt, sie und ich, und dann sogar in verschiedenen Städten, und du weißt das alles doch ganz genau. Ich habe dir ja schon früher auseinandergesetzt, daß ich sie nicht aus Liebe, sondern aus Mitleid gern habe. Ich meine, ich habe das damals klar dargelegt. Du sagtest damals, du hättest diese meine Worte verstanden, nicht wahr? Hast du sie auch wirklich verstanden? Oh, wie voll Haß du mich ansiehst! Ich bin hergekommen, um dich zu beruhigen, weil auch du mir teuer bist. Ich habe dich sehr lieb, Parfen. Ich gehe jetzt und komme niemals wieder. Lebe wohl!«
Der Fürst stand auf.
»Bleib noch ein Weilchen bei mir sitzen!« sagte Parfen leise; er erhob sich nicht von seinem Platz und legte den Kopf in die rechte Hand. »Ich habe dich lange nicht gesehen.«
Der Fürst setzte sich wieder. Beide schwiegen.
»Wenn ich dich nicht vor mir sehe, fühle ich gleich gegen dich einen Groll, Lew Nikolajewitsch. In diesen drei Monaten, wo ich dich nicht gesehen habe, bin ich jeden Augenblick auf dich ergrimmt gewesen, bei Gott! Ich hätte dich vergiften mögen! So steht das. Und jetzt hast du nun noch nicht eine Viertelstunde bei mir gesessen, und schon ist mein ganzer Groll vergangen, und du bist mir wieder lieb und teuer wie früher. Bleib noch ein Weilchen bei mir sitzen!...«
»Wenn ich bei dir bin, dann glaubst du mir, und wenn ich nicht da bin, dann hörst du gleich auf, mir zu vertrauen, und hast mich wieder im Verdacht. Du schlägst ganz nach deinem Vater«, antwortete der Fürst freundlich lächelnd und bemüht, seine Rührung zu verbergen.
»Ich glaube dem Klang deiner Stimme, wenn ich bei dir sitze. Ich verstehe ja, daß wir beide, du und ich, nicht miteinander zu vergleichen sind...«
»Warum fügst du das hinzu? Und gleich bist du wieder in gereizter Stimmung«, versetzte der Fürst, der sich über Rogoshin wunderte.
»Wir werden in dieser Hinsicht nicht nach unserer Meinung gefragt«, antwortete dieser, »das wird ohne unser Zutun bestimmt. Wir beide lieben ja auch auf verschiedene Rogoshin warf dem Fürsten einen grimmigen, furchtbaren Blick zu und antwortete nicht.
»Ich bin jetzt schon fünf Tage nicht bei ihr gewesen«, fuhr er fort, nachdem er ungefähr eine Minute lang geschwiegen hatte. »Ich fürchte immer, daß sie mich wegjagt. Sie sagt: ›Ich bin noch immer meine eigene Herrin; wenn ich will, jage ich dich ganz fort und reise selbst ins Ausland‹ (davon hat sie zu mir schon gesprochen, daß sie ins Ausland reisen will«, bemerkte er gleichsam in Klammern und sah dem Fürsten in ganz besonderer Art in die Augen). »Manchmal allerdings will sie mir damit nur Furcht einjagen, sie möchte sich immer über mich lustig machen; aber zu andern Zeiten ist sie wirklich in finsterer Stimmung, zieht die Augenbrauen zusammen und sagt kein Wort, und
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