Der Idiot
tut.«
»Aber wie kannst du nur... wie kannst du nur ...«, rief der Fürst, ohne den Satz zu beenden. Er blickte Rogoshin erschrocken an.
»Warum sprichst du nicht zu Ende?« fragte dieser lächelnd. »Aber wenn du willst, so werde ich dir sagen, was du in diesem Augenblick im stillen denkst: ›Wie kann sie unter solchen Umständen seine Frau werden? Wie kann man das zulassen?‹ Ich weiß, daß du das denkst...«
»Ich bin nicht deswegen hergereist, Parfen; ich sage dir, so etwas ist mir nicht in den Sinn gekommen...«
»Es ist ja möglich, daß du nicht deswegen hergereist bist und daß dir so etwas nicht in den Sinn gekommen war, aber nun wird sich der Zweck nachträglich ergeben, hehe! Nun genug! Warum bist du so bestürzt? Solltest du wirklich nichts davon gewußt haben? Du setzt mich in Erstaunen!«
»Das ist bei dir nur Eifersucht, Parfen, das ist eine Krankheit, du übertreibst das alles maßlos...«, murmelte der Fürst in größter Erregung. »Was hast du denn?«
»Laß das liegen!« sagte Parfen und riß dem Fürsten hastig ein Messer aus der Hand, das dieser vom Tische aufnahm, wo es neben dem Buch gelegen hatte, und tat es wieder auf seinen früheren Platz.
»Mir ist, als hätte ich es bei der Ankunft in Petersburg gewußt, als hätte ich eine Vorahnung gehabt...«, fuhr der Fürst fort. »Ich wollte nicht herfahren! Ich wollte diese ganze Sache vergessen und mir aus dem Herzen reißen! Nun, leb wohl... Aber was hast du denn?«
Während des Sprechens hatte der Fürst in der Zerstreutheit dasselbe Messer wieder vom Tisch genommen, und nun nahm Rogoshin es ihm zum zweitenmal aus der Hand und warf es auf den Tisch. Es war ein Messer von ganz einfacher Gestalt, mit einem Griff aus Hirschhorn, nicht zum Zusammenklappen, mit einer etwa dreieinhalb Werschok langen und entsprechend breiten Klinge.
Als Rogoshin sah, daß der Fürst stutzig darüber wurde, weil ihm dieses Messer zweimal aus der Hand gerissen ward, ergriff er es grimmig und ärgerlich, legte es in das Buch und schleuderte das Buch auf einen anderen Tisch.
»Du schneidest damit wohl die Seiten auf?« fragte der Fürst, aber zerstreut, als sei er immer noch in Gedanken versunken.
»Ja, freilich.«
»Es ist ja ein Gartenmesser!«
»Ja. Kann man denn die Seiten nicht auch mit einem Gartenmesser aufschneiden?«
»Aber es...es ist ganz neu.«
»Na, was ist denn dabei, daß es neu ist? Darf ich mir etwa nicht ein neues Messer kaufen, sobald ich will?« schrie Rogoshin endlich in einer Art Raserei; seine Gereiztheit war mit jedem Wort ärger geworden.
Der Fürst zuckte zusammen und blickte ihn aufmerksam an.
»Aber wir sind auch die Richtigen!« sagte er lachend; er war nun wieder völlig zur Besinnung gekommen. »Sei mir nicht böse, Bruder, wenn mir der Kopf so schwer ist wie jetzt, und dazu noch diese Krankheit... ich werde dann ganz zerstreut und komisch. Ich wollte überhaupt nicht danach fragen... ich weiß schon nicht mehr, um was es sich handelte. Leb wohl!«
»Nicht dort!« sagte Rogoshin.
»Ich habe vergessen, durch welche Tür ich hereingekommen bin!«
»Hier, hier, komm, ich werde dir den Weg zeigen.«
IV
Sie gingen durch dieselben Zimmer, die der Fürst schon vorher passiert hatte. Rogoshin ging ein wenig voraus, der Fürst hinter ihm her. Sie kamen in den großen Salon. Hier befanden sich an den Wänden einige Gemälde, lauter Porträts von Bischöfen und Landschaften, von denen nichts zu erkennen war. Über der Tür nach dem nächsten Zimmer hing ein Bild von recht auffälligem Format: Zweieinhalb Arschin lang und nicht mehr als sechs Werschok hoch. Es stellte den soeben vom Kreuze abgenommenen Heiland dar. Der Fürst blickte es flüchtig an, als käme ihm eine Erinnerung, wollte aber, ohne stehenzubleiben, durch die Tür hindurchgehen. Er fühlte sich sehr bedrückt, und es verlangte ihn, möglichst schnell aus diesem Haus herauszukommen. Aber Rogoshin blieb plötzlich vor dem Bild stehen.
»All diese Bilder hier«, sagte er, »hat mein verstorbener Vater auf Auktionen gekauft, das Stück zu einem oder zwei Rubel, er liebte so etwas. Ein Sachverständiger hat sie alle hier besichtigt, er sagte, es sei Schund; aber dieses hier, das Bild über der Tür, das ebenfalls für zwei Rubel gekauft ist, von dem sagte er, es sei kein Schund. Noch zu Lebzeiten meines Vaters fand sich jemand, der ihm dafür dreihundertundfünfzig Rubel bot, und Iwan Dmitrijewitsch Saweljew, ein Kaufmann, der ein großer Liebhaber solcher Dinge
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