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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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einfache Bauersfrau! Allerdings eine Mutter... und wer weiß, vielleicht war sie die Frau jenes Soldaten. Höre, Parfen, du fragtest mich vorhin, da hast du meine Antwort: das Wesen des religiösen Gefühls wird weder durch vernunftmäßige Überlegungen noch durch Vergehen und Verbrechen, noch durch atheistische Anschauungen berührt; es ist etwas Andersartiges und wird in alle Ewigkeit etwas Andersartiges sein; die Lehren des Atheismus werden in alle Ewigkeit davon abgleiten und in alle Ewigkeit daran vorbeireden. Die Hauptsache aber ist, daß man dies am klarsten und schnellsten an der russischen Seele erkennt; das ist das Resultat meiner Beobachtungen! Das ist eine der ersten Überzeugungen, die ich bei uns in Rußland gewonnen habe. Hier läßt sich etwas tun, Parfen, es läßt sich vieles tun auf unserem russischen Boden, glaube mir! Erinnere dich, wie wir eine Zeitlang in Moskau zusammen lebten und öfter miteinander darüber sprachen... Und ich hatte gar nicht vorgehabt, jetzt hierher zurückzukehren! Ich hatte mir die Wiederbegegnung mit dir ganz, ganz anders ausgemalt! Na, was hilft's... Leb wohl, auf Wiedersehen! Gott behüte dich!«
    Er wendete sich um und stieg die Treppe hinunter.
    »Lew Nikolajewitsch!« rief Parfen dem Fürsten von oben nach, als dieser zum ersten Treppenabsatz gelangt war, »hast du das Kreuz, das du von dem Soldaten gekauft hast, bei dir?«
    »Ja.«
    Der Fürst blieb wieder stehen.
    »Zeig es doch einmal her!«
    Wieder eine neue Absonderlichkeit! Der Fürst überlegte einen Augenblick, stieg dann wieder hinauf, zog das Kreuz heraus und zeigte es ihm, ohne es vom Hals abzunehmen.
    »Gib es mir!« sagte Rogoshin.
    »Wozu? Hast du denn...«
    Der Fürst wollte sich nicht gern von dem Kreuz trennen.
    »Ich will es tragen, und meines will ich dir geben, das trage du dann!«
    »Du willst, daß wir die Kreuze tauschen? Schön, Parfen, wenn du es so meinst, dann freue ich mich; wir werden jetzt Brüder sein!«
    Der Fürst nahm sein Zinnkreuz ab, Parfen sein goldenes, und sie tauschten miteinander. Parfen schwieg. Erstaunt und betrübt bemerkte der Fürst, daß das frühere Mißtrauen und das bittere, spöttische Lächeln immer noch nicht von dem Gesicht seines Kreuzbruders geschwunden waren, sondern zumindest in einzelnen Augenblicken wieder stark sichtbar wurden. Schweigend ergriff Rogoshin endlich die Hand des Fürsten und stand eine Weile da, als ob er sich zu etwas nicht entschließen könnte; endlich zog er ihn auf einmal hinter sich her, indem er kaum hörbar sagte: »Komm!« Sie gingen quer über den Treppenflur und klingelten an einer Tür, die derjenigen, aus welcher sie herausgekommen waren, gerade gegenüberlag. Es wurde ihnen bald geöffnet. Eine alte, ganz zusammengekrümmte Frau in schwarzem Kleid, mit einem Tuch um den Kopf, verbeugte sich schweigend tief vor Rogoshin; dieser sagte schnell ein paar Worte zu ihr und führte, ohne »Nun wollen wir wieder gehen, Lew Nikolajewitsch!« sagte Parfen. »Ich hatte dich nur zu diesem Zweck hergeführt...«
    Als sie wieder auf die Treppe hinaustraten, fügte er hinzu:
    »Sie versteht ja nichts, was man zu ihr sagt, und hat auch von meinen Worten nichts verstanden; aber sie hat dich doch gesegnet, da muß es ihr eigener Wunsch gewesen sein... Nun aber leb wohl, wir haben beide keine Zeit mehr.«
    Damit öffnete er die Wohnungstür.
    »So laß dich doch wenigstens zum Abschied umarmen, du wunderlicher Mensch!« rief der Fürst, indem er ihn mit zärtlichem Vorwurf anblickte, und wollte ihn umarmen. Aber Parfen hatte kaum die Arme erhoben, als er sie auch sogleich wieder sinken ließ. Er konnte sich nicht dazu entschließen; er wandte sich ab, um den Fürsten nicht anzusehen. Er wollte ihn nicht umarmen.
    »Hab keine Angst! Ich habe dir zwar dein Kreuz weggenommen, werde dich aber nicht um einer Uhr willen ermorden!« murmelte er undeutlich und lachte auf einmal seltsam auf. Aber plötzlich verwandelte sich sein ganzes Gesicht: er wurde schrecklich blaß, seine Lippen fingen an zu zittern, seine Augen flammten auf. Er hob die Arme in die Höhe, umarmte den Fürsten mit festem Druck und sagte keuchend:
    »So nimm sie, wenn das Schicksal es einmal so will! Sie sei dein! Ich trete zurück!... Vergiß Rogoshin nicht!«
    Und er wandte sich von dem Fürsten ab, ging, ohne noch einmal nach ihm hinzublicken, in seine Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.
V
    Es war schon spät, fast halb drei, und der Fürst traf den General Jepantschin nicht

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