02 Jesses Maria: Wechseljahre
Wechseljahre
Die Wechseljahre habe ich unterschätzt.
Ich dachte: Wechseljahre sind ganz natürlich, die erleben alle Frauen, die erledige ich sozusagen nebenbei.
So wie Kinderkriegen: Da haben auch alle ein Riesentheater gemacht und ich hatte richtig Angst davor. Letztlich fand ich es aber sehr schön. Auch wenn‘s wirklich sehr wehtat.
Was also können Wechseljahre schon bedeuten?
Ich dachte: Irgendwann benutzt man seinen letzten Tampon, und erst wenn‘s lange vorbei ist, weiß man, wann das war.
Ich wusste: Man schwitzt manchmal und hat kein präoder postmenstruelles Syndrom mehr. Ist doch positiv, dachte ich. Ehrlich gesagt, hab ich mit Anfang vierzig sogar darauf gewartet, dass es endlich losging mit den Wechseljahren, denn ich hatte keine Lust mehr auf rote Welle.
Ich hab mir gesagt: Wechseljahre sind eben die Jahre, in denen ein Wechsel stattfindet. Ist ja nicht der erste Wechsel, den man als gestandene Frau überstehen muss. Man gewöhnt sich an die Wechsel, irgendwie sind sie doch das einzig Beständige im Leben.
Also können Wechseljahre nicht so schwer sein. Wie Pubertät rückwärts hab ich mir das vorgestellt.
Von wegen.
Pubertät war ein Kinderspiel dagegen, und nicht nur, weil man damals noch alles vor sich hatte, währendman in den Wechseljahren das meiste hinter sich hat.
Vieles ändert sich nicht, zugegeben.
Die falsche Seite zum Beispiel.
Irgendwie gehörte ich immer der falschen Seite an.
In der ersten Klasse teilten sich die Gruppen in Besitzer von Schiefer- und Plastiktafeln.
In der zweiten ging‘s um stahlblaues Turnzeug gegen altmodisches schwarzes.
Dann gab es die Füllerfraktionen: Geha gegen Pelikan.
Ich hatte einen grünen Geha. Cool war aber der blaue Pelikan.
Danach waren es die Mofas der Jungs. Ein Freund mit einer gelben Kreidler war besser als einer mit blauer Hercules. So ging das immer weiter: Levis gegen Stoffhose, Parka gegen Öljacke, Mini gegen Maxi, Locken gegen Pottschnitt, Pickel gegen glatte Haut, Opel Manta gegen Ford Capri, Wolfgangsee gegen Mallorca, Mietwohnung gegen Bungalow, Kind gegen Karriere, Ehefrau gegen Geschiedene.
Immer wieder war ich zur falschen Zeit am falschen Ort. Jetzt auch.
Zwei Sorten Frauen gibt es nämlich in den Wechseljahren: die normalen und die anderen .
Ich bin eine von den normalen, und damit gehöre ich wieder zur falschen Fraktion. Weil ich, wie alle normalen Frauen, quasi über Nacht fett und faltig werde, nicht mehr schlafen kann und deswegen tagsüber genervt und müde bin.
Nicht so die anderen Frauen. Heiter, beschwingt und ausgeschlafen sind die.
Wenn du mal klagst, dass du plötzlich schwabbelige Chickenwings, Körbchengröße D und drei Kinne bekommst, sagt so eine von den anderen :
„Komisch, also damit hab ich überhaupt kein Problem!“ Und dann zeigt sie dir ihre straffen Oberarme und das durchaus konturierte Einfach-Kinn und du fühlst dich wie „Mattka vons Land“.
Dabei hat mein Frauenarzt gesagt, dass man im Schnitt ein Kilo im Jahr zunimmt, das wär ganz normal. Und dass Wechseljahre normal um die fünfzehn Jahre dauern. Na super. Fünfzehn Jahre, fünfzehn Kilo. In Fett umgerechnet sind das sechzig Pakete Butter! Wenn ich mir die auf meinen Hüften vorstelle…
Die normalen Frauen wechseln irgendwann Haarfarbe, Shampoo und den Friseur, weil ihnen plötzlich die Haare ausgehen. Horror! Wenn ich mich nicht vernünftig frisiere, gucken meine Segelohren an den Seiten raus, so dünn sind meine Haare jetzt, wie schlapper Schnittlauch. Das war früher nicht!
Jetzt weiß ich aber, warum es in meinem Alter kaum noch langhaarige Frauen gibt. Asymmetrische Kurzhaarfrisuren in Rot kaschieren das Dilemma. Irgendwann wage ich das auch.
Die anderen Frauen haben dichtes, glänzendes Haar, kein graues dazwischen, kein einziges, und sie fahren sich, wenn man mal was zu dem Thema sagt, mit einer lässigen Bewegung durchs Haar und sagen: „Ja? Ach! Also damit hab ich überhaupt keine Probleme.“
Normale Frauen haben es in den Gelenken. Das tutnicht nur weh, sondern nimmt einem auch die Möglichkeit, dicke Beine durch hohe Schuhe zu kaschieren. Jeder Zentimeter Absatz lässt einen ja eigentlich ein Kilo dünner aussehen.
Vorbei, alles vorbei.
Ich konnte früher auf zehn Zentimeter hohen Hacken arbeiten, und heute bin ich längst in Ballerinas angekommen. In Pumps krieg ich Knieschmerzen und steifen Rücken. Normal, sagt mein Frauenarzt.
Wenn ich aber als normale Frau in bequemen Boots neben einer Freundin
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