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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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kommt sehr oft vor. Mir begegnet das fortwährend. Ich glaube übrigens, daß das nicht schön ist, und wissen Sie, Keller, ich mache mir deswegen die größten Vorwürfe. Mir war, als ob Sie mir mich selbst schilderten. Manchmal habe ich sogar gedacht«, fuhr der Fürst sehr ernst und mit aufrichtigem, starkem Interesse fort, »daß alle Menschen von dieser Art sind, und wollte dann schon anfangen, mir Mut zu machen, denn gegen diese doppelten Gedanken anzukämpfen, ist furchtbar schwer; ich weiß es aus Erfahrung. Gott weiß, woher sie kommen und wie sie entstehen. Aber da nennen Sie das »Aber was hat die Reue für einen Wert! Das ist gerade, wie ich gestern sagte: ›Ich bin ein gemeiner Mensch, ich bin ein gemeiner Mensch!‹ Das sind doch bloße Worte!«
    »Also bei Ihnen waren es bloße Worte? Ich dachte schon ...«
    »Na, Ihnen, Ihnen allein will ich die Wahrheit sagen, weil Sie ja doch einen Menschen ganz durchschauen: die Worte und das Tun, die Lüge und die Wahrheit, das ist alles zusammen in mir enthalten und ist alles vollkommen aufrichtig. Die Wahrheit und das Tun bestehen bei mir in aufrichtiger Reue, ob Sie es nun glauben oder nicht, ich kann's beschwören, und die Worte und die Lüge bestehen in dem teuflischen (immer gegenwärtigen) Gedanken, wie ich auch hierbei jemanden hinters Licht führen und durch die Reuetränen profitieren könnte! Bei Gott, so ist es! Einem andern würde ich es nicht sagen, er würde mich auslachen oder verachten; aber Sie, Fürst, Sie urteilen human.«
    »Nun, sehen Sie, das ist ganz genau dasselbe, was auch er mir soeben gesagt hat!« rief der Fürst. »Und beide rühmen Sie sich dessen gewissermaßen! Sie setzen mich beide in Erstaunen; nur ist er aufrichtiger als Sie; Sie aber haben die Sache zu einer Art von Gewerbe gemacht. Nun genug davon! Runzeln Sie nicht die Stirn, Lebedew, und legen Sie nicht die Hand aufs Herz! Haben Sie mir nichts zu sagen? Sie werden doch nicht ohne Zweck zur mir gekommen sein ...«
    Lebedew begann Grimassen zu schneiden und sich zu winden.
    »Ich habe den ganzen Tag auf Sie gewartet, um Ihnen eine Frage vorzulegen; sagen Sie nun wenigstens einmal in Ihrem Leben gleich bei den ersten Worten die Wahrheit: waren Sie an der gestrigen Geschichte mit der Equipage irgendwie beteiligt?«
    Lebedew schnitt wieder Grimassen und kicherte, rieb sich die Hände, nieste sogar zuletzt, konnte sich aber immer noch nicht dazu entschließen, etwas zu sagen.
    »Ich sehe Ihnen an, daß Sie daran beteiligt waren.«
    »Aber nur indirekt, durchaus nur indirekt! Ich sage die reine Wahrheit! Ich bin nur insofern daran beteiligt gewesen, als ich die betreffende Person rechtzeitig davon benachrichtigte, daß sich bei mir eine Gesellschaft zusammengefunden hatte und daß gewisse Leute anwesend waren.«
    »Ich weiß, daß Sie Ihren Sohn dorthin geschickt haben, er hat es mir selbst vorhin eingestanden; aber was hat diese ganze Intrige zu bedeuten?« rief der Fürst ungeduldig.
    »Es ist nicht meine Intrige, nicht meine Intrige«, wehrte Lebedew, lebhaft gestikulierend, ab. »Da stecken andere Leute dahinter, ganz andere Leute, und es ist auch eher sozusagen ein phantastischer Einfall als eine Intrige.«
    »Aber um was handelt es sich denn eigentlich? Das erklären Sie mir, um des Himmels willen! Begreifen Sie denn nicht, daß die Sache mich direkt angeht? Jewgenij Pawlowitsch wird ja dadurch angeschwärzt.«
    »Fürst! Durchlauchtigster Fürst!« erwiderte Lebedew, sich wieder hin und her krümmend. »Sie erlauben mir ja nicht, die ganze Wahrheit zu sagen; ich habe Ihnen ja schon früher eine wahrheitsgemäße Mitteilung machen wollen, sogar mehrmals; aber Sie gestatteten mir nicht fortzufahren...«
    Der Fürst schwieg ein Weilchen und überlegte.
    »Nun gut, sagen Sie die Wahrheit!« brachte er, offenbar nach schwerem Kampf, mühsam heraus.
    »Aglaja Iwanowna...«, begann Lebedew sofort.
    »Schweigen Sie, schweigen Sie!« rief der Fürst grimmig; er war vor Empörung, vielleicht auch vor Scham, ganz rot geworden. »Das ist unmöglich, das ist Unsinn! Das haben Sie sich alles selbst ausgedacht oder Leute, die ebenso verrückt sind wie Sie. Ich will das nie wieder von Ihnen hören!«
    Spät am Abend, erst nach zehn Uhr, erschien Kolja mit einem ganzen Sack voll Nachrichten. Seine Nachrichten waren von zweierlei Art: Petersburger und Pawlowsker. Er erzählte zunächst rasch das Wichtigste aus Petersburg (namentlich von Ippolit und der Affäre vom vorhergehenden Tage), indem

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