Der Idiot
vorhin bei ihm vor; aber er empfängt nicht, er ist unpäßlich. Aber er ist reich, schwer reich, besitzt großen Einfluß und... Nun, Gott gebe ihm Gesundheit und ein langes Leben, aber irgendeinmal fällt doch alles Jewgenij Pawlytsch zu... Ja, ja... aber doch ängstige ich mich! Ich weiß nicht wovor, aber ich ängstige mich... Es ist, als ob etwas in der Luft schwebt, wie eine Fledermaus; es ist ein Unheil im Anzug, und ich ängstige mich, ich ängstige mich!...«
Endlich, aber erst am dritten Tage, wie schon oben gesagt, erfolgte die förmliche Aussöhnung der Familie Jepantschin mit dem Fürsten Lew Nikolajewitsch.
XII
Es war sieben Uhr abends; der Fürst wollte eben in den Park gehen. Auf einmal kam Lisaweta Prokofjewna ganz allein zu ihm in die Veranda.
» Erstens , bilde dir nicht ein«, begann sie, »daß ich gekommen wäre, dich um Verzeihung zu bitten! Unsinn! Du allein trägst die ganze Schuld.«
Der Fürst schwieg.
»Trägst du die Schuld?«
»In demselben Maße wie Sie. Übrigens haben weder Sie noch ich in irgendeiner Hinsicht uns absichtlich schuldig gemacht. Ich hielt mich vorgestern für schuldig, aber jetzt bin ich doch anderer Ansicht und meine, daß dem nicht so ist.«
»Also so denkst du darüber! Nun gut, hör zu und setz dich, denn ich beabsichtige nicht zu stehen.«
Beide setzten sich.
» Zweitens , kein Wort von den boshaften Burschen! Ich werde zehn Minuten hierbleiben und mit dir reden; ich bin hergekommen, um dich nach etwas zu fragen (du dachtest wohl schon, ich sei aus Gott weiß was für einem Grunde gekommen?), und wenn du der dreisten Burschen auch nur mit einem Worte Erwähnung tust, so stehe ich auf und gehe weg und breche jeden Verkehr mit dir ab.«
»Gut«, antwortete der Fürst.
»Gestatte die Frage: hast du vor zwei oder zweieinhalb Monaten, um Ostern herum, an Aglaja einen Brief geschrieben?«
» J-ja, das habe ich getan.«
»Was hattest du dabei für eine Absicht? Was stand in dem Brief? Zeig mal den Brief her!«
Lisaweta Prokofjewnas Augen blitzten, sie zitterte vor Ungeduld.
»Bist du verliebt, ja?«
»N-nein. Ich ... ich habe wie an eine Schwester geschrieben; ich habe auch als Bruder unterzeichnet.«
»Hm! Absichtlich; ich verstehe.«
»Es ist mir sehr peinlich, Ihnen auf diese Fragen zu antworten, Lisaweta Prokofjewna.«
»Ich weiß, daß es dir peinlich ist, aber das kümmert mich nicht. Hör mal, sag mir die Wahrheit, wie wenn du vor Gott stündest: lügst du mir auch nichts vor?«
»Ich lüge nicht.«
»Sagst du die Wahrheit, daß du nicht verliebt bist?«
»Ich glaube, daß das die volle Wahrheit ist.«
»Sieh mal an: ›Ich glaube!‹ Wer hat ihr den Brief überbracht? Der dumme Junge?«
»Ich habe Nikolai Ardalionowitsch gebeten...«
»Ein dummer Junge ist er! Ein dummer Junge!« unterbrach ihn Lisaweta Prokofjewna. »Ich kenne keinen Nikolai Ardalionowitsch! Ein dummer Junge ist er!«
»Nikolai Ardalionowitsch...«
»Ein dummer Junge, sage ich dir!«
»Nein, kein dummer Junge, sondern Nikolai Ardalionowitsch«, antwortete der Fürst in festem Ton, wenn auch ziemlich leise.
»Na schön, mein Täubchen, schön! Das werde ich dir ankreiden.«
Sie kämpfte ihre Aufregung für ein Weilchen nieder und erholte sich.
»Und was hat es mit dem ›armen Ritter‹ für eine Bewandtnis?«
»Das ist mir völlig unbekannt; ich bin nicht dabeigewesen, als es aufkam; es ist irgendein Scherz.«
»Mir sehr angenehm, das zu erfahren! Aber konnte sie sich denn wirklich für dich interessieren? Sie hat dich ja selbst ›Mißgeburt‹ und ›Idiot‹ genannt.«
»Das hätten Sie mir nicht wiedersagen sollen«, bemerkte der Fürst vorwurfsvoll, aber beinah flüsternd.
»Sei nicht böse! Sie ist ein eigensinniges, verrücktes, verzogenes Mädchen; wenn sie sich verliebt, so wird sie unbedingt laut über den Geliebten schimpfen und ihm ins Gesicht spotten; ich bin ganz ebenso gewesen. Nur bitte triumphiere nicht, mein Täubchen; sie wird nicht die Deine werden; ich glaube nicht daran, es wird nie geschehen! Ich sage das, damit du dich schon jetzt danach einrichtest. Hör mal, schwöre mir, daß du nicht mit jener Frauensperson verheiratet bist!«
»Lisaweta Prokofjewna, ich bitte Sie, was reden Sie da!« rief der Fürst und sprang vor Erstaunen beinah auf.
»Aber es fehlte nicht viel, daß du sie geheiratet hättest?«
»Nein, es fehlte nicht viel«, flüsterte der Fürst und ließ den Kopf sinken.
»Also in die bist du doch verliebt, wenn es so ist?
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