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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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getan.‹
    »Vielleicht möchten Sie Tee trinken, dann werde ich welchen bringen lassen«, sagte sie nach einigem Schweigen.
    »N-nein ... Ich weiß nicht...«
    »Aber wie kann man denn so etwas nicht wissen? Ach ja, hören Sie: wenn Sie jemand zum Duell forderte, was würden Sie dann machen? Ich wollte Sie schon vorhin danach fragen.«
    »Aber... wer sollte... es fordert mich ja niemand zum Duell.«
    »Nun, aber wenn Sie gefordert würden? Würden Sie große Angst haben?«
    »Ich glaube, ich würde mich sehr... fürchten.«
    »Im Ernst? Also sind Sie feige?«
    »N-nein; das vielleicht nicht. Feige ist derjenige, der sich fürchtet und davonläuft, aber wer sich fürchtet und nicht davonläuft, der braucht noch nicht feige zu sein«, erwiderte der Fürst nach kurzem Nachdenken lächelnd.
    »Und Sie würden nicht weglaufen?«
    »Vielleicht würde ich das nicht tun«, antwortete er, schließlich auflachend, auf Aglajas Fragen.
    »Ich bin zwar ein Weib, aber ich würde unter keinen Umständen weglaufen«, bemerkte sie empfindlich. »Aber Sie machen sich über mich lustig und reden nach Ihrer Gewohnheit wunderliches Zeug, um sich interessant zu machen. Sagen Sie mal: die Duellanten schießen ja wohl gewöhnlich auf zwölf Schritte, manche auch auf zehn Schritte; also wird man sicher erschossen oder verwundet?«
    »Beim Duell fällt wohl selten jemand.«
    »Selten? Puschkin ist doch im Duell erschossen.«
    »Das war vielleicht ein Zufall.«
    »Ganz und gar kein Zufall; es war ein Duell auf Leben und Tod, und da wurde er erschossen.«
    »Die Kugel traf ihn so weit unten, daß man annehmen muß, Dantès habe auf eine höhere Körperstelle gezielt, auf die Brust oder auf den Kopf. So weit nach unten zielt niemand, somit hat die Kugel Puschkin aller Wahrscheinlichkeit nach zufällig getroffen, durch einen Fehlschuß. Das ist mir von kompetenten Leuten gesagt worden.«
    »Aber mir hat ein Soldat, mit dem ich einmal sprach, gesagt, sie seien, wenn sie sich in Schützenschwärme auflösten, durch das Reglement ausdrücklich angewiesen, auf die Mitte des Menschen zu zielen; so lautet der Ausdruck bei ihnen: ›auf die Mitte des Menschen‹. Also die werden angewiesen, nicht nach der Brust oder nach dem Kopf, sondern absichtlich nach der Mitte des Körpers zu schießen. Ich fragte später einen Offizier danach, und der sagte mir, daß es sich genau so verhalte.«
    »Das ist gewiß so angeordnet, weil da auf weite Entfernung geschossen wird.«
    »Können Sie schießen?«
    »Ich habe noch nie geschossen.«
    »Können Sie wirklich nicht einmal eine Pistole laden?«
    »Nein, das kann ich nicht. Das heißt, ich weiß, wie es gemacht wird, aber ich habe noch nie selbst eine geladen.«
    »Nun, dann können Sie es auch nicht; denn dazu gehört praktische Erfahrung! Hören Sie mal zu und prägen Sie es sich gut ein: erstens kaufen Sie sich gutes Pistolenpulver, nicht feuchtes (es darf nicht feucht sein, sage ich, es muß ganz trocken sein), recht feines; solches müssen Sie gleich fordern, nicht solches, mit dem man aus Kanonen schießt. Die Kugel gießt man sich irgendwie selbst. Haben Sie Pistolen?«
    »Nein, ich brauche auch keine«, versetzte der Fürst lachend.
    »Ach, dummes Zeug! Kaufen Sie sich unter allen Umständen eine: eine gute französische oder englische; das sind die besten, sage ich Ihnen. Dann nehmen Sie Pulver, etwa einen Fingerhut voll oder vielleicht zwei, und schütten Sie es hinein! Lieber ein bißchen mehr. Drücken Sie es mit Filz fest (Filz ist unbedingt nötig, sage ich Ihnen); den können Sie sich leicht irgendwoher beschaffen, von einer Matratze; auch die Türen werden manchmal mit Filz beschlagen. Dann, wenn Sie den Filz hineingestopft haben, legen Sie die Kugel darauf; hören Sie wohl: die Kugel nachher, das Pulver zuerst, sonst schießt es nicht. Warum lachen Sie? Ich will, daß Sie täglich ein paarmal schießen und unbedingt ein Ziel treffen lernen. Werden Sie das auch tun?«
    Der Fürst lachte; Aglaja stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. Ihre ernste Miene bei einem solchen Gespräch setzte den Fürsten einigermaßen in Erstaunen. Er hatte die unklare Empfindung, daß er hier etwas in Erfahrung bringen, nach etwas fragen müsse, und zwar jedenfalls nach etwas Ernsthafterem, als es das Laden einer Pistole war. Aber all das war ihm aus dem Sinn entschwunden, und er fühlte nur das eine, daß sie vor ihm saß und er sie ansah; worüber sie redete, das war ihm in diesem Augenblick so gut wie

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