Der Idiot
leidend zu sein?‹ sagte er in dem Ton, indem gewöhnlich die Ärzte reden, wenn sie zu einem Kranken kommen. ›Ich selbst bin... Mediziner‹ (er sagte nicht: Arzt), und bei diesen Worten wies er zu irgendeinem Zweck mit der Hand auf das Zimmer hin, als protestiere er gegen seine jetzige Lage. ›Ich sehe, daß Sie...‹
›Ich bin schwindsüchtig‹, sagte ich möglichst kurz und stand auf.
Er sprang ebenfalls auf.
›Vielleicht sehen Sie die Sache zu schwarz an, und... bei Anwendung geeigneter Mittel...‹
Er war in größter Verwirrung und schien seine Fassung immer noch nicht wiedergewinnen zu können; die Brieftasche hielt er in der linken Hand.
›Oh, beunruhigen Sie sich nicht!‹ unterbrach ich ihn und griff wieder nach der Türklinke, ›in der vorigen Woche hat mich B-n untersucht' (ich brachte also wieder B-n hinein), und mein Fall liegt ganz klar. Entschuldigen Sie...‹
Ich wollte wieder die Tür öffnen und meinen verlegenen, dankbaren, beschämten Arzt verlassen, aber der nichtswürdige Husten befiel mich in diesem Augenblick von neuem. Nun bestand mein Arzt darauf, daß ich wieder Platz nähme und mich erholte; er wandte sich zu seiner Frau, und diese sagte mir, ohne ihren Platz zu verlassen, ein paar dankbare, freundliche Worte. Sie wurde dabei sehr verlegen, so daß sogar eine Röte auf ihren blaßgelben, hageren Wangen spielte. Ich blieb, nahm aber dabei eine Miene an, die in jedem Augenblick zeigte, daß ich sehr fürchtete, sie zu genieren. (Das war auch das Richtige.) Mein Arzt wurde schließlich von peinlicher Reue gequält, das sah ich.
›Wenn ich...‹, begann er, fortwährend abbrechend und in andere Konstruktion übergehend. ›Ich bin Ihnen so dankbar und habe mir so viel gegen Sie zuschulden kommen lassen... ich... Sie sehen...‹, er zeigte wieder auf das Zimmer, ›ich befinde mich augenblicklich in einer solchen Lage...‹
›Oh‹, sagte ich, ›da ist nichts dabei, das ist nichts Ungewöhnliches. Sie haben wohl Ihre Stelle verloren und sind hergekommen, um sich vor den maßgebenden Persönlichkeiten zu rechtfertigen und eine neue Stelle zu suchen?‹
›Woher... woher wissen Sie das?‹ fragte er erstaunt.
›Das sieht man auf den ersten Blick‹, antwortete ich unwillkürlich in spöttischem Ton. ›Es kommen viele aus der Provinz hoffnungsvoll hierher, laufen hier herum und führen ein ebensolches Leben wie Sie.‹
Er fing auf einmal an, mit zitternden Lippen lebhaft zu reden; er beklagte sich über das, was ihm widerfahren war, erzählte alles ausführlich und erregte, wie ich bekennen muß, mein Interesse; ich saß bei ihm fast eine Stunde. Er erzählte mir seine Geschichte, die übrigens von ganz gewöhnlicher Art war. Er war Arzt in der Provinz gewesen und hatte ein staatliches Amt bekleidet, aber da hatten nun Intrigen begonnen, in die auch seine Frau mit hineingezogen worden war. Er hatte seinen Stolz herausgekehrt und sich hitzig benommen; bei der Gouvernementsbehörde war eine für seine Feinde günstige Personalveränderung eingetreten; sie hatten gegen ihn gewühlt und Beschwerden über ihn eingereicht; er hatte seine Stelle verloren und war mit seinen letzten Mitteln nach Petersburg gekommen, um sich zu rechtfertigen; in Petersburg hatte man, nach dem bekannten Verfahren, ihm lange Zeit überhaupt kein Gehör geschenkt, dann ihn angehört, dann ihn abschlägig beschieden, dann ihm lockende Versprechungen gemacht, dann ihm scharf und streng geantwortet, dann ihn aufgefordert, eine Rechtfertigungschrift zu verfassen, dann deren Annahme verweigert, ihn aufgefordert, eine Bittschrift einzureichen, – kurz, er war hier schon über vier Monate herumgelaufen und hatte all seine Mittel aufgezehrt; die letzten Sachen seiner Frau waren ins Leihhaus gewandert, und nun war das Kind geboren, und... und... ›heute habe ich auf die eingereichte Bittschrift endgültig einen ablehnenden Bescheid erhalten, und ich habe fast kein Brot mehr, nichts habe ich, und nun ist noch meine Frau niedergekommen. Ich... ich...‹
Er sprang vom Stuhl auf und wandte sich ab. Seine Frau weinte in der Ecke, das Kind begann wieder zu wimmern. Ich zog mein Notizbuch heraus und begann darin zu schreiben. Als ich damit fertig war und mich erhob, stand er vor mir und sah mich in ängstlicher Spannung an.
›Ich habe mir Ihren Namen notiert‹, sagte ich zu ihm, ›nun, und auch alles übrige: den Ort, wo Sie angestellt waren, den Namen Ihres Gouverneurs und die Daten. Ich habe einen
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