Der Idiot
befürchtet, daß ich... Sie haben zu denken gewagt, daß ich... O Gott! Sie haben vielleicht geargwöhnt, ich hätte Sie mit der Absicht hierherbestellt, um Sie in meine Netze zu locken, damit man uns dann hier zusammen überraschte und Sie nötigte, mich zu heiraten...«
»Aglaja Iwanowna! Schämen Sie sich nicht? Wie konnte nur ein so schmutziger Gedanke in Ihrem reinen, unschuldigen Herzen entstehen? Ich möchte wetten, daß Sie selbst kein Wort von dem, was Sie eben sagten, für wahr halten... Sie wissen selbst nicht, was Sie reden!«
Aglaja saß mit beharrlich gesenktem Kopf da, als hätte sie selbst über das, was sie gesagt hatte, einen Schreck bekommen.
»Ich schäme mich gar nicht«, murmelte sie. »Woher wissen Sie, daß ich ein unschuldiges Herz habe? Wie konnten Sie wagen, mir damals den Liebesbrief zu schicken?«
»Ich liebe Gawrila Ardalionowitsch ...«, sagte sie hastig, aber kaum hörbar, und ließ den Kopf noch tiefer sinken.
»Das ist nicht wahr«, erwiderte der Fürst, ebenfalls beinah flüsternd.
»Dann lüge ich also? Es ist doch wahr, ich habe ihm mein Wort gegeben, vorgestern, auf dieser Bank.«
Der Fürst erschrak und dachte einen Augenblick nach.
»Das ist nicht wahr«, sagte er noch einmal in entschiedenem Ton. »Sie haben sich das alles nur ausgedacht.«
»Sehr höflich von Ihnen! Wissen Sie, er hat sich gebessert; er liebt mich mehr als sein Leben. Er hat vor meinen Augen seine Hand verbrannt, nur um mir zu beweisen, daß er mich mehr liebt als sein Leben.«
»Er hat seine Hand verbrannt?«
»Jawohl, seine Hand. Sie mögen es glauben oder nicht, das ist mir ganz gleich.«
Der Fürst schwieg wieder. Aglajas Worte klangen nicht scherzhaft; sie war ärgerlich.
»Wie? Hat er denn eine Kerze hierher mitgebracht, wenn das hier geschehen ist? Anders kann ich mir die Sache nicht vorstellen...«
»Jawohl... eine Kerze. Was ist daran unwahrscheinlich?«
»Eine bloße Kerze oder eine auf einem Leuchter?«
»Nun ja ... nein ... eine halbe Kerze... ein Stümpfchen... eine ganze Kerze... das ist ja ganz egal, lassen Sie doch das Gerede!... Meinetwegen kann er auch Zündhölzer mitgebracht haben! Er zündete die Kerze an und hielt eine ganze halbe Stunde lang den Finger in die Flamme; ist das etwa nicht möglich?«
»Ich habe ihn gestern gesehen; seine Finger sind ganz heil.«
Aglaja brach nun auf einmal ganz wie ein Kind in ein schallendes Gelächter aus.
»Wissen Sie, warum ich eben gelogen habe?« wandte sie sich mit der kindlichsten Zutraulichkeit an den Fürsten; ihre Lippen zitterten immer noch vor Lachen. »Deswegen: wenn man lügt und dabei in geschickter Weise etwas Ungewöhnliches, etwas Exzentrisches einflicht, wissen Sie, etwas, was sehr selten ist oder überhaupt nicht vorkommt, dann erscheint die Lüge weit glaubhafter. Das habe ich früher »Wenn Sie hergereist sind, ohne zu wissen, wozu, so lieben Sie sie sehr«, sagte sie schließlich.
»Nein«, versetzte der Fürst, »nein, ich liebe sie nicht. Oh, wenn Sie wüßten, mit welchem Entsetzen ich an jene Zeit zurückdenke, die ich mit ihr verlebte!«
Ein Schauder überlief bei diesen Worten seinen Körper.
»Erzählen Sie mir alles!« sagte Aglaja.
»Es gibt nichts, was Sie nicht hören könnten. Warum ich den Wunsch hegte, gerade Ihnen all dies zu erzählen und nur Ihnen, das weiß ich nicht; vielleicht weil ich Sie tatsächlich sehr liebte. Diese unglückliche Frau ist fest überzeugt, daß sie das am tiefsten gesunkene, lasterhafteste Wesen der ganzen Welt ist. Oh, sagen Sie nicht Schlechtes von ihr, werfen Sie keinen Stein auf sie! Sie hat sich schon selbst mit dem Bewußtsein ihrer unverdienten Schande nur zu sehr gequält! Und was trifft sie denn für eine Schuld, o mein Gott? Oh, alle Augenblicke ruft sie wie rasend, sie bekenne sich nicht schuldig, sie sei das Opfer andrer Leute, das Opfer eines Wüstlings und Bösewichts, aber obgleich sie so redet, ist sie doch die erste, die das nicht glaubt, und ist vielmehr in tiefster Seele davon überzeugt, daß sie selbst daran schuld sei. Sobald ich versuchte, diese düstere Auffassung zu bekämpfen, stieg ihre Seelenpein dermaßen, daß mein Herz, solange ich an diese schreckliche Zeit zurückdenken werde, nie wieder recht fröhlich sein wird. Es ist mir, als wäre mein Herz durchbohrt worden und hörte nicht auf zu bluten. Sie lief von mir weg; wissen Sie, warum? In Wirklichkeit nur, um mir zu beweisen, daß sie ein gemeines Weib sei. Aber das schrecklichste ist,
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