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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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daß sie vielleicht selbst nicht wußte, daß sie mir nur das beweisen wollte, und sie lief weg, weil sie sich innerlich getrieben fühlte, eine schändliche Handlung zu begehen, um sich dann sagen zu können: ›Siehst du, du hast eine neue Schandtat begangen, also bist du ein gemeines Geschöpf!‹ Oh, vielleicht verstehen Sie das nicht, Aglaja! Wissen Sie wohl, daß in diesem steten Bewußtsein der Schande für sie vielleicht ein schrecklicher, unnatürlicher Genuß liegt, eine Art von Rache, die sie an jemand nimmt? Mitunter brachte ich sie dahin, daß sie wieder Licht um sich zu sehen glaubte; aber sofort empörte sie sich wieder, und das ging so weit, daß sie mich voll Bitterkeit beschuldigte, ich stellte mich hoch über sie (obgleich mir das nie in den Sinn gekommen war), und mir schließlich, als ich ihr die Ehe anbot, geradezu erklärte, sie verlange von niemand ein hochmütiges Mitleid oder irgendwelche Hilfe oder daß man sie ›zu sich emporhebe‹. Sie haben sie gestern gesehen; glauben Sie wirklich, daß sie sich in dieser Gesellschaft glücklich fühlt, daß sie in diesen Kreis hineinpaßt? Sie wissen nicht, wie hochgebildet sie ist und was sie alles begreifen kann! Sie hat mich manchmal geradezu in Erstaunen versetzt!«
    »Haben Sie ihr dort auch solche... Predigten gehalten?«
    »O nein«, fuhr der Fürst nachdenklich fort, ohne den Ton der Frage zu beachten, »ich habe fast immer geschwiegen. Ich wollte oft reden, aber ich wußte manchmal wirklich nicht, was ich sagen sollte. Wissen Sie, in manchen Fällen ist es das beste, wenn man gar nichts sagt. Oh, ich liebte sie, ich liebte sie sehr... aber dann... dann... dann hat sie alles erraten.«
    »Was hat sie erraten?«
    »Daß ich nur Mitleid mit ihr habe und daß ich... sie nicht mehr liebe.«
    »Woher wissen Sie, ob sie sich nicht wirklich in jenen... Gutsbesitzer verliebt hatte, mit dem sie davonging?«
    »Nein, das war nicht der Fall, ich weiß alles; sie machte sich nur über ihn lustig.«
    »Und über Sie hat sie sich niemals lustig gemacht?«
    »N-nein. Sie hat vor Ärger über mich gelacht; oh, sie hat mir damals im Zorn schreckliche Vorwürfe gemacht – und hat selbst furchtbar dabei gelitten! Aber... dann... oh, erinnern Sie mich nicht daran, erinnern Sie mich nicht daran!«
    Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
    »Wissen Sie, daß sie fast täglich an mich Briefe schreibt?«
    »Also ist das wahr!« rief der Fürst in starker Erregung. »Ich habe es gehört, wollte es aber immer noch nicht glauben.«
    »Von wem haben Sie es gehört?« fragte Aglaja, erschrocken zusammenfahrend.
    »Rogoshin sagte es mir gestern, nur nicht sehr deutlich.« »Gestern? Gestern morgen? Wann gestern? Vor dem Konzert oder nachher?«
    »Nachher, am Abend, kurz vor Mitternacht.«
    »Ah so! Nun, wenn es Rogoshin war... Aber wissen Sie, was sie mir in diesen Briefen schreibt?«
    »Ich werde mich über nichts wundern; sie ist geisteskrank.«
    »Da sind die Briefe.« (Aglaja zog drei in Kuverts steckende Briefe aus der Tasche und warf sie vor den Fürsten hin.) »Schon eine ganze Woche lang redet sie mir zu, bittet und beschwört mich, ich möchte Sie heiraten. Sie ... nun ja, sie ist klug, obwohl sie geisteskrank ist, und Sie sagen ganz richtig, daß sie viel klüger ist als ich ... sie schreibt mir, sie habe sich in mich verliebt, sie suche täglich eine Gelegenheit, mich zu sehen, wenn auch nur von weitem. Sie schreibt mir, Sie liebten mich, sie wisse das, sie habe es längst bemerkt, und Sie hätten mit ihr dort von mir gesprochen. Sie will Sie glücklich sehen; sie ist überzeugt, daß nur ich Sie glücklich machen kann... Sie schreibt so wild ... so sonderbar ... Ich habe die Briefe niemandem gezeigt, ich habe auf Sie gewartet; wissen Sie vielleicht, was das alles zu bedeuten hat? Erraten Sie nichts?«
    »Das ist Irrsinn, ein Beweis ihrer Geisteskrankheit«, sagte der Fürst, und seine Lippen bebten.
    »Sie weinen doch nicht?«
    »Nein, Aglaja, nein, ich weine nicht«, erwiderte der Fürst, sie anblickend.
    »Was soll ich denn tun? Wozu raten Sie mir? Ich darf doch solche Briefe nicht länger annehmen!«
    »Oh, unternehmen Sie nichts gegen diese Frau, ich flehe Sie an!« rief der Fürst. »Was haben Sie mit dieser geistigen Dunkelheit zu tun; ich werde alles aufbieten, damit sie nicht mehr an Sie schreibt.«
    »Wenn es so steht, dann sind Sie ein herzloser Mensch!« rief Aglaja. »Sehen Sie denn nicht, daß sie nicht in mich verliebt ist, sondern daß sie

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