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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Gelegenheiten, Sonolumineszenz in natura zu erleben, sind zwar derart rar, daß sie ohne Gaitans Versuchsanordnungen vielleicht noch jahrhundertelang , untouched by human hands, verborgen geblieben wäre; die schulmäßige Sozioepistemologie aber muß unterschlagen, daß Menschengeschaffenes als zufälliges Naturprodukt keineswegs unmöglich, sondern nur sehr unwahrscheinlich ist. Selbst das bei Kreationisten beliebte Beispiel der Taschenuhr wird ohne menschliches Zutun keineswegs »niemals« zustande kommen, sondern nur sehr, sehr lange nicht (spätestens die siliziumlebendigen Xümuerls auf dem Planeten Gikhna im Hysenstirz-System, Naturkinder so gut wie wir, hätten sich der Sache angenommen, wenn unsere eigenen Uhrmacher ausgeblieben wären), denn eine Wahrscheinlichkeit von null für irgendeine in beliebiger Zeit anzutreffende Kombination tatsächlich vorhandener Dinge läßt sich überhaupt nicht denken.
     
    Daß freilich fürs menschenlose Entstehen mancher Welttatsachen, die wir inzwischen hergestellt, zusammengebracht, zusammengedacht haben, die bisherige (und vielleicht sogar die vermutbare zukünftige) Lebensdauer des Universums nicht hinreicht, steht auf einem anderen Blatt – demjenigen nämlich, auf dem notiert ist, daß Wahrscheinlichkeit in diesem konstruktiven Zusammenhang nicht viel mehr besagt, als daß komplexere Sachen eben seltener auftreten als weniger komplexe, der Erbgang kulturell und zivilisatorisch vermittelter Welttatsachen aber notwendig die einfachen als tote Erkenntnisarbeit vorangegangener Generationen sedimentiert und so zu einer nicht etwa mysteriös orthogenetischen, sondern einfach durch menschliche Erkenntnisarbeitsökonomie vorgegebenen allmählichen Komplexitätszunahme der von uns geschaffenen Welttatsachen führt – wenn das Rad schon erfunden ist, kommt die schwierigere Kutsche dran.
    Solange also bei einer Herleitung von irgend etwas aus seinen nicht logischen, sondern wissenshistorischen Voraussetzungen die Bedingung gewahrt bleibt, daß die jeweils nächstniedrigere Voraussetzung beim Weg rückwärts durch die Kausalkette häufiger auftritt als die darauffolgende (einfache Dinge oder Einsichten werden mehrmals erfunden oder entdeckt, in verschiedenen Kulturkreisen, Zivilisationen, Staaten, Sprachgebieten, schwierigere dagegen seltener, ihr Transfer läuft nicht mehr diachron, sondern über Import und Export), geht alles mit rechten Dingen zu, und übernatürliche Eingriffe sind nicht erfordert. Die Naturgeschichte und die der menschlichen Überlieferungen bilden also ein Kontinuum miteinander, aber eines, in dem Sprünge vorkommen. Ein Kohlenstoffatom ist wahrscheinlicher als besagte Taschenuhr; es gibt mehr Sonnen ohne Planeten, die Leben erlauben, als solche mit; es gibt mehr Planeten, auf denen Leben möglich wäre, als solche, auf denen es tatsächlich existiert; es gibt mehr belebte Welten als mit denkenden Geschöpfen belebte; es gibt mehr denkende Geschöpfe als solche, die eine Taschenuhr bauen können.
     
    Die beiden Mengen der natürlichen und der künstlichen, das heißt: menschlichen Sachverhalte sind somit in jedem denkmöglichen Fall einer Definition der Domänen gegeneinander nicht absolut steril rein voneinander zu scheiden; die entsprechenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen bleiben abhängig von Zusammenhängen und Unterschieden, die man stets wieder je und je auf einer der beiden Seiten der Unterscheidung zuordnen muß.
    Diese Unreinheiten rühren im Kern daher, daß der in allen Scheidungsversuchen eingenähte Dualismus als solcher verkehrt ist – man handelt sich, sobald man prinzipiell, das heißt ontisch, zwischen Natur und Menschenwelt unterscheiden will, sofort lauter in wachsende Abwegigkeit verstrickte Stütz-Dualismen ein, wie die Ideengeschichte zur Genüge belegt.
    Ein rechtschaffener Aristoteliker etwa könnte sich auf den Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung versteifen und sagen, daß zwar Gaitans Experiment menschengemacht sei, dies aber nur ein akzidentielles Faktum, nachrangig gegenüber den Essentialien, Entelechien, Immanenzen, die dafür sorgen, daß die beschallten Bläschen leuchten – sozusagen die »Wahrmacher« der Volumenemitterstrahlungstheorie, wie der stark aristotelisch geprägte tapfere Neo-Materialist David Armstrong sagen würde. Cartesianer, sollte es noch ein paar geben, würden es einmal mehr mit dem Unterschied zwischen res cogitans und res extensa versuchen (Gaitans Versuchsanordnung und Erkenntnisgewinn

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