Der Indianerlord
sie ihm aus der Scheide riss. Wieder rettete er sich rechtzeitig von ihrem Angriff und hielt ihr Handgelenk fest. Mit seinem ganzen Gewicht warf er sich auf sie und presste ihre Hand auf den harten Boden, bis die Waffe ihren Fingern entglitt. Dann saß er rittlings auf ihren Hüften, hielt sie mit seinen Schenkeln fest und umklammerte auch ihren anderen Unterarm. Erbost wand sie sich umher. »Bastard, elender Heide, Barbar, widerwärtiger Dämon aus dem Höllenfeuer - lassen Sie mich los!«
Und wenn er sie wirklich losließ, was dann? Drei seiner Gefährten warteten nur wenige Schritte entfernt auf ihren bemalten Ponys und beobachteten Skylars verbissenen Kampf mit unbewegten Mienen. Falls sie den einen Krieger abwehren konnte, würden sich die anderen auf sie stürzen. »Feiglinge!« zischte sie, während sie sich mit aller Kraft gegen ihren Angreifer stemmte. »Über eine alleinstehende Frau herzufallen! Und den armen alten Kutscher zu ermorden!« Hatten sie ihn tatsächlich getötet? Offensichtlich, denn ihr Blick suchte ihn vergeblich, und er kam ihr nicht zu Hilfe. Vielleicht musste sie sogar dankbar sein, weil sie nirgendwo seine verstümmelte Leiche sah. »Verdammte Bestien! Dafür sollt ihr büßen! Sobald die Kavallerie hierherkommt, werdet ihr alle sterben ganz langsam ... «
Würden die Soldaten rechtzeitig eintreffen, um sie zu retten? Daran zweifelte sie. Nun, solche Drohungen erhielten sie am Leben. Aber wie lange noch? Wenn sie ein bisschen Zeit gewann, würde sie eben einige Minuten später einen grausamen Tod erleiden. »Oh, ich werde zurückkehren, aus dem Himmel oder aus der Hölle, und mich rächen ... « Sie verstummte, rang nach Atem. Und in diesem Moment sah sie seine Augen.
Seltsame Augen für einen Indianer, dunkelgrün wie die Wälder der Black Hills. In seinen Adern musste weißes Blut fließen. Würde das ihr Leben retten? Wohl kaum. Mühsam schluckte sie ihre Tränen hinunter. »Schurke! Lassen Sie mich los - oder töten Sie mich!«
Sonderbar - als sie verwirrt in seine Augen gestarrt hatte, war sein harter Griff lockerer geworden. Sie konnte sogar ihre Arme befreien. Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen seine Brust, ihre Nägel zerkratzten seine Haut. Da stieß er einen Wutschrei aus, hielt ihre Handgelenke wieder fest, sprang geschmeidig auf und zog sie mit sich hoch. Sie versuchte ihn erneut anzugreifen, aber er war schneller, warf sie über seine Schulter und trug sie zu seinem Pony. Ihr staubiger Hut blieb am Boden liegen, und ihr langes, honigblondes Haar löste sich aus den letzten Nadeln. Wild zerzaust fielen die Locken in ihr Gesicht, ihre Fäuste schlugen wirkungslos auf den Rücken des Indianers.
Dann wurde sie bäuchlings über die Flanken des Ponys geschleudert, und er stieg hinter ihr auf. Als sie sich zu erheben versuchte, spornte er das Tier mit einem kräftigen Schenkeldruck an und versetzte ihrem Hinterteil einen demütigenden Schlag, der sie trotz der üppigen Tournüre aus schwarzem Taft heftig schmerzte.
Unter den schnellen Hufschlägen wirbelte. Staub auf. Skylar hustete und würgte. Lächerlicherweise klammerte sie sich am Knie des Indianers fest, damit sie nicht abgeworfen und zertrampelt wurde.
Wie weit oder wie lange sie ritten, wusste sie nicht. Raum und Zeit verloren jede Bedeutung während des rasenden Galopps gegen den Wind. Endlich, in der Abenddämmerung zügelte der Indianer sein Pony. Sie hatten das felsige Flachland verlassen und die Berge erreicht. Als er abstieg und ihren mittlerweile gefühllosen Körper vom Pferd zerrte, sah sie den rötlichen Schein des Sonnenuntergangs über den hohen Bäumen, die eine kleine Hütte umgaben.
Er stellte sie auf den Boden, und sie starrte die Hütte an und fragte sich, wann er die einstigen Bewohner ermordet hatte. Denn dies war zweifellos das Heim weißer Menschen gewesen, vielleicht eines Trappers und seiner Familie oder einer Lehrerin, die den Kindern, der weit verstreut lebenden Goldsucher, Banker, Farmer und Rancher Unterricht erteilt hatte. Aus der Hütte drang schwaches Licht. Brannte ein Feuer im Herd, um müde Heimkehrer willkommen zu heißen?
Plötzlich merkte Skylar, dass sie frei war. Der Indianer führte sein Pony in ein Gehege neben der Hütte und nahm ihm das Zaumzeug ab, damit es ungehindert das Heu aus der Futterkrippe fressen konnte. Seine drei Gefährten waren davongeritten. Blitzschnell drehte sie sich um, wollte in den Wald fliehen, ins Dunkel.
Aber wohin? Das spielte keine Rolle.
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