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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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wissen, dass Ihr Euch hier aufhaltet. Kommt heraus. Widerstand ist zwecklos.«
    Blitzschnell öffnete Amba den geheimen Zugang zu einer Kammer und zog den irritiert dreinschauenden Miguel mit sich. Kaum hatte sie von innen dafür gesorgt, dass das Bildnis der Parvati wieder an seinen ursprünglichen Platz rollte und man in ihrem Zimmer nicht auf Anhieb sehen würde, wohin sie entschwunden waren, hörten sie ein dumpfes Krachen und Poltern. Ihre Verfolger, wer auch immer das sein mochte, waren in das Haus eingedrungen.
    Amba schob einen Teppich beiseite und öffnete eine Klappe im Fußboden. »Schnell«, forderte sie Miguel unnötigerweise auf und bedeutete ihm, die in den Lehm gehauenen Stufen hinabzugehen. Sie selber folgte ihm bis zur fünften Stufe und zog von innen den Teppich so über die Klappe, dass er mit ein wenig Glück, wenn sie die Klappe schloss, über die Ritzen in den Holzdielen fallen würde. Dann hastete sie die restlichen Stufen hinab. Amba schnappte sich ein fertig geschnürtes Bündel, das unten bereitlag, und lief, mit Miguel an einer Hand, durch den Tunnel.
    Miguel kam aus dem Staunen nicht heraus. Sie hatte an alles gedacht. Sie hatte in dem Wissen gelebt, dass der Augenblick jederzeit kommen konnte, da sie fortlaufen musste. Er hätte gern gewusst, wohin der Tunnel führte, wagte es jedoch nicht, sie danach zu fragen, vor lauter Angst, oben gehört zu werden. Sie tasteten sich Hand in Hand eine ganze Weile durch den stickigen, feuchten Geheimgang, bevor Amba schließlich innehielt.
    »Wenn wir hierbleiben, werden wir ihnen, sollten sie den Tunnel wider Erwarten entdecken, entwischen. Es ist noch einmal genauso weit bis zum Ausgang – aber bei Nacht ist es nicht klug, dort hinauszuklettern. Ein aufmerksamer Beobachter würde anhand der Geräusche der Waldtiere sofort bemerken, dass da jemand ist. Wir müssen also warten, bis es Tag wird.«
    »Und dann?«
    »Und dann werden wir uns trennen. Du gehst nach Hause, denn du bist es nicht, den sie verfolgen. Sie haben es auf mich abgesehen. Und auf einen Diamanten, den ich gar nicht mehr besitze.«
    »Wohin willst du gehen?«
    »Wohin das Schicksal mich führt. Weit fort.«
    Das alles sprachen sie in völliger Finsternis. Amba wagte es nicht, Licht zu machen, um ihren Jägern nicht zu verraten, wo sie sich befanden. Der Tunnel war mit ein paar Abzweigungen versehen, die nirgendwohin führten, so dass die Wahrscheinlichkeit groß war, dass ihre Verfolger verwirrt wurden und nicht gleich den richtigen Weg einschlugen.
    »Wir gehen gemeinsam«, sagte Miguel.
    »Nein.«
    »Aber warum, Amba? Gemeinsam sind wir stärker. Warum stößt du mich immerzu zurück?«
    »Ich bringe dir Unglück, Miguel.« Sie sagte es in so düsterem Ton, dass Miguel fürchtete, sie glaube an diesen Unsinn.
    »Aber
ich
bringe
dir
Glück.«
    Amba ließ ein raues, bitteres Schnauben hören. »Ach, Miguel … wenn es doch nur so wäre.«
    Er zog sie zu sich heran und schloss sie in beide Arme. Er hauchte einen Kuss auf ihren Scheitel und flüsterte: »Es wird so sein. Man muss nur fest genug daran glauben.«
    Sie verharrten lange in der Umarmung, bis Miguel sich mit dem Rücken an der Lehmwand des Gangs in die Hocke sinken ließ. »Wenn wir schon nicht weiter vorankommen, dann lass uns wenigstens unsere Kräfte schonen und uns setzen.«
    »Ja«, sagte Amba tonlos und ließ sich ebenfalls auf den Boden hinab.
    »Willst du mir nicht endlich erzählen, was du so fürchtest?«, raunte er ihr zu.
    »Lieber nicht.«
    Miguel war tief enttäuscht. Wie sollte er sie dazu bringen, sich ihm anzuvertrauen, sich ihm zu öffnen? Noch vor kurzem war sie bereit gewesen, ihn in die Kunst des Liebens einzuführen, ihn mit dem Kamasutra vertraut zu machen. Nun aber gab sie sich so schroff, als sei er ein Wildfremder.
    Nach einer Weile fühlte Miguel seine Beine taub werden und beschäftigte sich mit der Frage, wie in Dreiteufelsnamen die Inder es schafften, es stundenlang in dieser hockenden Haltung auszuhalten. Er erhob sich, nahm seinen Umhang ab und breitete ihn so gut, wie es ihm im Dunkeln möglich war, unter sich aus. Jetzt war er froh, dass er die samtene Capa gewählt hatte, denn sie war groß und weich genug, dass sie zu zweit darauf sitzen oder sogar liegen konnten. Er tastete nach Ambas Hand. »Komm her,
meu amor,
nun ist es bequemer.«
    Sie ließ sich bereitwillig von ihm auf die improvisierte Decke ziehen und schmiegte sich an seine Brust, spürte seine Wärme und seinen Herzschlag. Sie

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