Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
DRAMATIS
PERSONAE
Hilpert von Maulbronn , Bibliothekarius
Berengar von Gamburg , Vogt des Grafen von Wertheim
Irmingardis , seine Verlobte
WEITERE
PERSONEN
(in der Reihenfolge des Erscheinens)
Friedhelm , Henker zu Rothenburg
Jutta Küchenmeister von Nordenberg [1] , Priorin des Dominikanerinnenklosters
Deodatus , Müllkärrner
Laurenz Tuchscherer , verwitweter Patrizier
Melusine , Bademagd und Stieftochter von Violante
Violante ASCHENBRENNER, Badersgattin
Bruder Alban , Lektor des Franziskanerklosters
Bruder Clemens , Kustos
Vinzenz Leberecht , Bürgermeister der Stadt
Rothenburg
Heinricus Nyeß , Notarius
Heinrich Bermetter , Stadtrat und Schwager von
Laurenz Tuchscherer
Chlotilde Wernitzer , Schwiegermutter Tuchscherers
Irmtrud , Amme und Heilerin
Bartholomäus Aschenbrenner , Bader
Schwester Scholastika , Infirmaria der Dominikanerinnen
ORT DER
HANDLUNG
Rothenburg ob der Tauber, Anno Domini 1418
TAGESEINTEILUNG
(für die Monate März bis September):
Ende der
1. Stunde: 06.00 h
2. Stunde: 07.00 h
3. Stunde: 08.00 h
4. Stunde: 09.00 h
5. Stunde: 10.00 h
6. Stunde: 11.00 h
7. Stunde: 12.00 h
8. Stunde: 13.00 h
9. Stunde: 14.00 h
10. Stunde: 15.00 h
11. Stunde: 16.00 h
12. Stunde: 17.00 h
SONNENAUFGANG
UND SONNENUNTERGANG (GMT):
am 17. März 1418 (Würzburg): 05:27 h / 17:23 h
am 18. März 1418 (Würzburg): 05:25 h / 17:25 h
ROTHENBURGER
LÄNGENMASSE (gültig bis 1811) :
Fuß oder Schuh: 0,302 m
Elle: 0,590 m (zwei Fuß)
Klafter: 1,806 Meter (drei Ellen)
Rute: 3,930 m (13 Fuß)
(Quelle: Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber)
LÖHNE UND
WÄHRUNG:
Ein Gulden = drei Pfund = 20 Schillinge = 240 Pfennige (1380)
Jahreslöhne in Rothenburg ob der Tauber (1377/78):
Waagemeister: 100
Arzt: 76
Henker: 53
Türmer: 50
Wächter: 31 – 40
Stadtschreiber: 10
Stadtpfeifer: 06
Trommler: 05 Pfund Heller
Kaufpreis eines Hauses: 50 Gulden
(Quelle: E. W. Heine, Toppler. Ein Mordfall im Mittelalter, Zürich
1992, S.66-67)
KLOSTERÄMTER
DER FRANZISKANER:
Guardian (Klostervorsteher)
Vizeguardian
Lektor (Lesemeister)
Kustos (Sakristan)
Konfessor (Beichtvater)
Novizenmeister
Prediger (und Stellvertreter)
Terminarier
umherziehende Brüder, zuständig für Gottesdienst, Seelsorge und Abnahme
der Beichte
Des Weiteren: Knechte, Köche, Schaffner (Verwalter)
etc.
Prolog
Universität Heidelberg
(Freitag, 25. Februar 1418)
1
Augustinerkloster [2] , eine halbe Stunde vor dem
Mittagsläuten │ [11.30 h]
»Und nun, Vorschneider, waltet Eures Amtes!«
Knapp zwei Dutzend Studenten, Bruder Hilpert
mit eingeschlossen, wichen instinktiv zurück, als sich der schafsäugige und mit
dunkler Robe sowie roter Samtkappe bekleidete Prosektor [3] auf Geheiß des Professors einen Weg durch ihre Reihen
bahnte und mit ausdrucksloser Miene an den Seziertisch trat. Vorlesungen waren eine
Sache, Sektionen etwas ganz anderes. Das war den zukünftigen Doctores bewusst. Entsprechend
gedämpft war die Stimmung, hatten doch allerlei Gerüchte, makabere Details und sogar
Spottverse die Runde gemacht.
Doch nun, in der Vorlesung über die Geschichte
der Medizin, gab es kein Zurück mehr für sie. Das galt auch für Bruder Hilpert,
Bibliothekarius des Klosters Maulbronn, der dem Ereignis mit gemischten Gefühlen
entgegensah. Von Natur aus ein wissbegieriger Mensch, hatten ihn bis zuletzt Zweifel
geplagt, aber da er sich keine Blöße geben wollte, ließ er sich nichts anmerken
und heftete den Blick auf die weiß getünchte Wand hinter dem Seziertisch, an der
ein lateinischer Sinnspruch zu lesen war: ›Hic est locus, ubi mors gaudet succurrere
vitae‹ [4] hieß es da, was Bruder
Hilpert aufgrund einer Sehschwäche, welche ihm immer häufiger zu schaffen machte,
nur mit Mühe entziffern konnte.
Auf ein Zeichen des Professors, der dank eines
erhöhten Sitzplatzes am Fußende den besten Überblick besaß, trat sein Famulus [5] an das Kopfende des
in der Mitte des Kapitelsaales postierten Schragentisches. Dann schlug er das Leinentuch
zurück, mit dem der für die Sektion ausgewählte Leichnam verhüllt gewesen war. Bruder
Hilperts Schätzung zufolge war der Tote, auf den sich die Blicke
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