Der Infekt
eine Zelle zu bringen. Dies wird im Hinblick auf gentherapeutische Verfahren versucht, aber auch im Zusammenhang mit Impfstofferzeugung, wie es im Roman andeutungsweise beschrieben ist.
Solange solche Arbeiten unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden (und in vielen Ländern sind die Bestimmungen detailliert und weitreichend), werden unbeabsichtigte Zwischenfälle in Form von Freisetzungen allgemein für unmöglich gehalten.
Allerdings gibt es auch einige Belege dafür, daß man diese Gefahr nicht einfach negieren kann. Die erwähnten argentinischen Viehhirten sind nur ein prägnantes Beispiel.
Es liegt auf der Hand, daß etwa bei Verwendung des Influenzavirus als Gentransfer-Vehikel leicht die Gefahr besteht, daß freigesetzte Viren in der umliegenden menschlichen Population für Grippefälle sorgen könnten. Allerdings läßt sich natürlich auch vorstellen, daß Viren extra für den Zweck geschaffen werden, um menschliche Zellen zu befallen und zu zerstören. Und da sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Als biologische Kampfmittel wären solche Viren höchst effizient, und deshalb wird vermutlich daran gearbeitet. Die vor einigen Jahren entstandene Idee, daß der HIV-Virus mit seiner Spezifität für humane Immunzellen aus dem Armeelabor in Fort Detrick stammt, läßt sich zwar molekulargenetisch mit guten Argumenten bestreiten, ist aber zumindest ein ›schönes‹ theoretisches Beispiel für das oben Beschriebene.
Wenn Sicherheitsschranken unabsichtlich außer Kraft gesetzt werden, ist das eine Sache, wenn Gefährdungen der Allgemeinheit absichtlich in Kauf genommen werden, eine andere. Beide Male liegt menschliches Versagen zugrunde, entweder auf intellektuellem oder auf moralischem Gebiet. Moralisches Versagen wird bekanntermaßen häufig dadurch provoziert, daß Macht- oder Geldinteressen im Spiel sind. Was die pekuniären Aspekte angeht, kommen in diesem Zusammenhang eigentlich nur zwei Anwendungsbereiche in Frage: die Arznei- und die Nahrungsmittelproduktion.
Wir haben in den letzten Jahren im Zusammenhang mit den Kontrollmängeln bei BSE-verdächtigem Rindfleisch erlebt, daß Betrug, Korruption und Vertuschung einsetzen, sobald der gesunde Menschenverstand aussetzt. Und hierbei geht es ›nur‹ um den europäischen Rindfleischhandel, der bei weitem nicht das finanzielle Volumen der weltweiten Nahrungs- und Pharmamärkte erreicht.
Der Infekt versucht, diese Gefahren aufzuzeigen und darzustellen, daß bei deren Eindämmung nicht unbedingt auf die Integrität von Regierungsstellen gezählt werden kann, daß bei gewinn- und machtorientierten Konzernstrategien das Individuum keine Rolle spielt, daß die Hauptleidtragenden in der Regel völlig Unschuldige sind – und daß die Großen ebensogut wie nie hängen.
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