Der Ire
ihn einige Minuten lang, bis ein leises
Klicken zu hören war. Nun ließ sich die Tür
öffnen. »Das beeindruckt mich immer wieder«, stellte
Rogan anerkennend fest.
»Dahinter stehen dreißig
Jahre Berufserfahrung, Ire. Ich war der anerkannt beste
Tresorknacker.« Martin seufzte. »Aber leider war ich so
gut, daß ich mich dadurch immer selbst verraten habe.«
Er drückte die Tür zu und
bewegte den Löffel, bis das Schloß erneut klickte. Dann
stand er auf.
»Einen Mann wie dich hätte ich manchmal gut brauchen können«, sagte Rogan.
»In deinem Alter willst du dich
doch nicht mit Kriminellen abgeben, Irish!« Martin grinste.
»Das ist ein uralter Trick, den hier viele beherrschen. Diese
altmodischen Einriegelschlösser sind leicht zu öffnen. Eines
Tages werden sie bestimmt durch bessere ersetzt.«
Er trat an sein Bett, holte eine
Packung Zigaretten unter der Matratze hervor und warf Rogan eine zu.
»Bis du auf den Hof kommst, mußt du weitere sechs
Türen überwinden, von denen die meisten bewacht sind. Da
braucht man schon mehr als einen Löffel, Ire.«
»Was man will, kann man
auch«, behauptete Rogan entschlossen. »Komm ans Fenster,
dann zeige ich dir, wo ...«
Martin hob abwehrend die Hand. »Nein, nein! Was ich nicht weiß, kann dir nicht schaden.«
Rogan runzelte die Stirn. »Du würdest mich doch nicht verpfeifen, Jigger?«
Der Alte zuckte mit den Schultern. »Hier kann man ganz schön in die Mangel genommen werden.«
An der Tür klapperte etwas.
Rogan drehte sich um und sah ein Auge am Spion. Dann wurde die Tür
geöffnet. Der Oberwärter stand draußen.
»Mitkommen, Rogan. Sie haben Besuch.« Rogan runzelte die
Stirn. »Von wem?«
»Von einem gewissen Soames. Er
ist Anwalt in London. Anscheinend geht es um Ihr Gnadengesuch. Ihre
Freunde haben sich offenbar für Sie eingesetzt.«
Als Rogan in der Schlange vor dem
Besuchszimmer wartete, fragte er sich, was Soames' Kommen zu bedeuten
hatte. Soviel er wußte, war es zwecklos, die Entscheidung des
Innenministeriums vor Ablauf eines Jahres anzufechten, und er war davon
überzeugt, daß draußen niemand für ihn arbeitete.
Seit die Organisation sich im vergangenen Jahr freiwillig
aufgelöst hatte, interessierte sich niemand mehr für ihn.
Dann war er an der Reihe. Der
Aufseher ließ ihn eintreten und wies ihm einen Platz vor dem
Gitter an. Rogan wartete ungeduldig, ohne auf die Gespräche zu
achten, die links und rechts von ihm geführt wurden. Endlich wurde
die Tür geöffnet. Soames kam herein.
Er war klein und dunkelhaarig mit
einem sorgfältig gepflegten Bärtchen und weichen rosa
Händen. Er trug eine Melone und eine Aktentasche. Sein
dunkelgrauer Anzug mit den Nadelstreifen war hochelegant.
Er setzte sich und lächelte
Rogan durch den Maschendraht hindurch zu. »Sie kennen mich
bestimmt nicht, Mr. Rogan. Ich heiße Soames - Henry
Soames.«
»Ja, das habe ich gehört«, stimmte Rogan zu. »Von wem kommen Sie?«
Soames sah sich um. Als er merkte, daß ihnen niemand zuhörte, beugte er sich vor.
»Colum O'More.«
Vor Rogans innerem Auge erschien ein
Bild. Er hatte sich mit siebzehn als Freiwilliger gemeldet und war zu
dem entscheidenden Gespräch in ein Haus außerhalb von Dublin
gebracht worden. Dort hatte er in einem kleinen Raum warten
müssen. Dann war die Tür geöffnet worden, und ein wahrer
Riese war grinsend hereingekommen und hatte jemand, den Rogan nicht
sehen konnte, etwas Aufmunterndes zugerufen. Colum O'More - der
Große Mann, dessen Mut und Ausdauer vorbildlich waren.
»Colum schickt Sie also?« fragte Rogan.
»Nicht direkt.« Soames
lächelte schwach. »Soviel ich weiß, hat er hierzulande
noch die zweite Hälfte einer zehnjährigen Freiheitsstrafe zu
verbüßen. Er ist im Augenblick in England, aber ich habe nur
einmal mit ihm gesprochen. Seitdem arbeite ich über eine
Deckadresse für ihn.«
»Falls Sie vorhaben, meine
Angelegenheit dem Innenminister zu unterbreiten, vergeuden Sie nur Ihre
Zeit.«
»Ich bin ganz Ihrer
Meinung«, versicherte Soames ihm. »Colum O'More hat an
etwas ungewöhnlichere Methoden gedacht, um es ehrlich zu
sagen.«
»Beispielsweise?« fragte Rogan gelassen.
»Er möchte Ihnen helfen, diese Umgebung ohne Erlaubnis des Innenministers zu verlassen.«
»Und wie kommen Sie darauf, daß ich das könnte?«
»Mein Informant ist ein Mann
namens Pope«, erwiderte Soames. »Hat er nicht
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