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Der Ire

Der Ire

Titel: Der Ire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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genau hinhörte, konnte man fast den
Fluß rauschen hören: dunkles Moorwasser, das auf dem langen
Weg zur See über große Felsbrocken strömte.

    3

      Regentropfen liefen an der
Fensterscheibe herab, als Rogan in die Dunkelheit hinausstarrte. Nach
einiger Zeit ging er zur Zellentür und blieb dort horchend stehen.
Unten schlug der Wachhabende krachend ein Stahltor zu.
      Rogan drehte sich um und grinste
flüchtig. Sein Gesicht war im Halbschatten nur undeutlich zu
erkennen. »Verdammt schlechtes Wetter dafür.«
      Martin lag auf seinem Bett und las. Jetzt richtete er sich auf. »Wofür?«
      Rogan kauerte neben ihm. »Ich
breche aus, Jigger«, antwortete er ruhig. »Auf wessen Seite
stehst du?«
      »Natürlich auf deiner,
Ire, danach brauchst du nicht zu fragen!« Der Alte war blaß
vor Aufregung, als er aufstand. »Was soll ich tun?«
      »Du brauchst mir nur die
Tür zu öffnen«, erklärte ihm Rogan.
»Laß sie hinter mir offen, leg dich ins Bett und bleib dort
bis zum Wecken am Montagmorgen.«
      Martin fuhr sich nervös mit der
Zungenspitze über die Lippen. »Was soll ich sagen, wenn ich
zum Direktor muß?«
      »Erzähl ihm, daß du
zu Tode erschrocken bist, als ich die Tür geöffnet habe, und
daß du aus Angst in deinem Bett geblieben bist, ohne dich um midi
zu kümmern.« Rogan grinste humorlos. »Mehr kann er
schließlich nicht erwarten. Jeder Häftling, der etwas
anderes täte, hätte innerhalb von vierundzwanzig Stunden die
Kameraden auf dem Hals. Das weiß der Direktor so gut wie
du.«
      Die versteckte Drohung wirkte. Martin
beteuerte hastig: »Menschenskind, du weißt doch, daß
ich dich nicht hereinlegen will, Ire!«
      Rogan drehte seine Matratze um, schob
an einer Stelle die Hand unter die Naht und holte ein aufgerolltes
Nylonseil und eine Trittschlinge mit einem Karabinerhaken heraus.
      »Wo hast du das her?« fragte Martin erstaunt.
      »Aus dem Steinbruch. Dort
muß man manchmal klettern, um Sprengladungen anzubringen.«
Rogan steckte sich einen langen Schraubenzieher und eine Kneifzange in
den Gürtel.
      »Andenken aus der
Werkstatt.« Er nickte zur Tür hinüber. »Okay,
Jigger, mach dich an die Arbeit. Ich hab's eilig.«
      Martin holte seinen Löffel und
kniete vor der Tür nieder. Seine Hände zitterten merklich.
Aber bald zeigte ein Klicken an, daß das Schloß
geöffnet war. Martin drehte sich um und nickte schweigend.
      Rogan stopfte rasch sein Kissen und
einige Kleidungsstücke unter seine Bettdecke, so daß man
glauben konnte, dort liege ein Mensch. Dann ging er zur Tür.
      »Mir ist eben etwas
eingefallen«, sagte Martin heiser. »Du weißt doch,
wie der Wachhabende auf Filzpantoffeln herumschleicht?«
      »Er sieht höchstens durch
den Spion«, erklärte Rogan ihm, »und wenn er bei
dieser Beleuchtung merkt, daß ich nicht in meinem Bett liege, hat
er bessere Augen als ich.«
      Martins Gesichtsausdruck
veränderte sich plötzlich. Er wirkte zehn Jahre jünger,
als er leise lachte. »Ich bin gespannt, wieviel Aufregung das
morgen gibt.« Er klopfte Rogan auf die Schulter. »Nur
weiter, Ire, und laß dich nicht erwischen!«
      Der Treppenabsatz war schwach
beleuchtet. In dem Zellenblock herrschte Ruhe. Rogan blieb einen
Augenblick an die Wand gedrückt stehen und schlich dann zu der
anderen Treppe am Ende des Korridors.
      In der großen Halle brannte nur
eine einzige Lampe, so daß die Eisenträger und die
Glaskuppel über ihm in der Dunkelheit lagen. Er kletterte auf das
Geländer und an dem Maschendrahtgitter bis zum Dach des
Zellenblocks weiter. Dort hängte er den Karabinerhaken seiner
Schlinge ein, um sich zu sichern, und griff nach der Kneifzange.
      Er brauchte nicht lange, um einen
knapp meterhohen Schlitz entlang der Wand in den Maschendraht zu
schneiden, durch den er sich zwängte. Auf der anderen Seite
schloß er die Öffnung wieder sorgfältig, so daß
man schon sehr genau hinsehen mußte, um die Beschädigung zu
erkennen. Letztesmal war er von Block B auf der anderen Seite der Halle
aus geflohen. In den vergangenen drei Jahren hatte niemand diesen
Fluchtweg entdeckt.
      Stahlträger ragten in die
Dunkelheit hinein. Jeder von ihnen ruhte auf einem Mauervorsprung.
Rogan erreichte den ersten mühelos, blieb an die Wand
gedrückt stehen und konzentrierte sich auf die eineinhalb Meter
breite Lücke zum nächsten Träger. Ein Atemholen, ein
Sprung in die Dunkelheit, dann stand er auf dem nächsten. Das
wiederholte sich noch

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