Der Jäger
war.
»Ja, natürlich. Ich habe mich sogar kurz mit ihr unterhalten. Sie kam in Begleitung eines jungen Mannes … Moment, gleich hab ich’s.« Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger über die ungeschminkten vollen Lippen und nickte erneut. »Ich glaube, ihr Vorname beginnt mit J … Julia oder Juliane … Sie hat irgendwie verloren in der Ecke gestanden, und da habe ich mich ein paar Minuten mit ihr unterhalten.«
»Juliane Albertz?«
»Genau, Juliane Albertz, so hat sie sich mir vorgestellt. Ist sie auch tot?«
»Frau Albertz wurde vor etwa einem Jahr getötet. Wissen Sie denn auch noch, mit wem sie bei den van Dycks war?«
»Nein, da muss ich passen. Es war ein großes Fest, und ich kenne nicht alle Gäste mit Namen. Wenn Sie mir ein Foto zeigen würden, könnte ich Ihnen sicher sagen, ob derjenige darunter war, aber so …« Sie hob entschuldigend die Schultern.
»Aber es war ein junger Mann?«, fragte Durant.
»Ja. Auf keinen Fall älter als dreißig.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Etwa einsachtzig, schlank, dunkles, kurzes Haar, blaue oder grüne Augen, so genau habe ich ihn mir nicht angesehen. Er machte auf mich einen durchtrainierten Eindruck, allerdings wirkte er sehr ernst. Ach ja, er hatte einen schmalen Oberlippenbart und trug einen Ohrring, und er hatte auffallend weiße Zähne. Ansonsten kann ich Ihnen nichts zu ihm sagen.«
»Wann war das?«
»Vergangenes Jahr im September oder Oktober.« Sie sah ihren Mann fragend an. »Wann haben die van Dycks dieses Fest gegeben? War es nicht anlässlich der Premierenfeier? Es war doch Ende September, Anfang Oktober, wenn ich mich recht erinnere?«
»Anfang Oktober«, sagte Maibaum und setzte sich zu seiner Frau auf die Couch. »Aber fragen Sie doch die van Dycks selbst. Vielleicht existiert sogar noch eine Gästeliste von damals. Meine Frau war allein dort, ich war verhindert.«
»Das werden wir ganz sicher tun. Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe. Meine Karte habe ich Ihnen ja schon gegeben, für den Fall, dass Sie sich noch an etwas erinnern sollten. Einen schönen Tag noch.«
Durant und Hellmer gingen schweigend zu ihrem Wagen. Als Hellmer den Motor startete, sagte Durant: »Ich denke, Lewell wird uns einiges zu erklären haben. Und warum wollte Maibaum mit dir allein sprechen?«
»Der Mann hat Probleme mit seiner Männlichkeit. Wie es aussieht, hat er mit der Kassner tatsächlich nicht geschlafen, weil er nämlich impotent ist.«
»Und das kaufst du ihm ab?«, fragte Durant zweifelnd.
»Warum nicht. So wie er mir das geschildert hat, muss ich ihm glauben. Er sagt, die Kassner sei außer seiner Frau die Einzige gewesen, die ihn noch als Mann respektiert habe. Und über Lewell hat er mir auch noch was erzählt. Zum Beispiel, dass erProbleme mit Frauen hat. Angeblich soll er zur Gewalt neigen. Aber Maibaum sagt, er habe das nur gehört. Trotzdem wird’s allmählich eng für Lewell, wenn er auch noch eine Vorstrafe wegen eines Sexualdelikts hat. Und wie war’s bei dir?«
»Frau Maibaum? Geht so. Sie ist ein bisschen merkwürdig, ich kann aber nicht genau sagen, was es ist. Bis zu dem Moment, als ihr reingekommen seid, haben wir nur Belanglosigkeiten ausgetauscht. Sie scheint mir sehr zurückhaltend zu sein. So, und jetzt beeil dich, ich muss mir noch ein paar Notizen machen, bevor die Gonzalez kommt.«
Mittwoch, 17.20 Uhr
»Was hat die Hausdurchsuchung bei Müller ergeben?«, fragte Durant, kaum dass sie in Bergers Büro waren.
»Noch nicht abgeschlossen. Die Kollegen werden aber sicher bald zurück sein. Und wie ist es bei Ihnen gelaufen?«
»Maibaum war Kunde bei der Kassner, hat aber nicht mit ihr geschlafen. Er ist impotent. Ansonsten wird immer wieder von denselben Personen gesprochen. Van Dyck, Kleiber und so weiter. Der Einzige, der bisher mauert, ist Lewell. Aber den klopfen wir auch noch weich. Sonst irgendwas Neues?«
Christine Güttler kam aus Durants Büro, zog sich einen Stuhl heran und sagte: »Also, ich habe mir die Tagebücher der Albertz vorgenommen. Da drin steht unter anderem, dass sie sich von Lewell ein Horoskop hat erstellen lassen, und zwar am 30. Juni 98, knapp vier Monate vor ihrem Tod. Und es gibt einen vagen Hinweis darauf, dass sie unter Umständen mit Lewell ein Verhältnis hatte …«
»Bitte was?«, platzte es aus Durant heraus.
»Na ja, zumindest scheint sie einige Male mit ihm geschlafen zu haben. Sie hat es verschlüsselt, wahrscheinlich, um es vor ihrerMutter zu verheimlichen. Aber irgendwie
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