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Glutopfer. Thriller

Glutopfer. Thriller

Titel: Glutopfer. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lister
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1
    Kratzen, ein Streichholz.
    Zündkopf auf Reibfläche.
    Er genießt das Geräusch in Erwartung des Lichts, des Geruchs, der Geburt. Sand und Glaspulverbelag schaffen Reibung, schlagen Funken, bringen Hitze hervor; Schwefel und Oxidans am Zündkopf mit rotem Phosphor an der Schachtel.
    Es kommt zur chemischen Reaktion.
    Feuer wird geboren.
    Ein Rauchwölkchen. Strahlendes Lodern der Flamme.
    Die Flamme ist blau an der Wurzel, orange an der Spitze und trägt Schöpfung wie Verwüstung in sich, so klein sie auch ist. Sie flackert im Wind, wenn er sich bewegt, richtet sich auf, als er stehenbleibt, umschwebt den glutroten Zündkopf.
    Er spürt die Enge in seiner Brust, die berauschende Wirkung der Erregung, den Schuss Adrenalin im Blut.
    Das einzelne Streichholz verströmt in dem kleinen, dunklen Raum erstaunlich helles Licht, und die Augen der Frau, die vor ihm kniet, weiten sich erschrocken. Sie hebt leicht den Kopf, ihr Blick fleht, wenn sie nicht gerade blinzelt, weil flüssiger Treibstoff ihr aus den Haaren über Stirn und Gesicht rinnt.
    Zu den Benzindämpfen in diesem Gehäuse kommt nun noch der Geruch von Schwefel und Rauch.
    Draußen, jenseits der Gleise, die inzwischen ins Nirgendwo führen, lassen die nächtlichen Geräusche der Wälder weder in ihrer Beharrlichkeit noch in der Lautstärke nach. Am dunklen Himmel zeigt sich kein Stern. Der Mond ist nicht zu sehen. Die kühle Septemberluft umweht Virginia-Eichen und Elliott-Kiefern, lässt Blätter und Kiefernnadeln auf den feuchten Boden regnen.
    Das Streichholz brennt schnell bis zu seinen Fingerspitzen ab; er lässt es zu, spürt die Hitze an seinem Fleisch. Er ist ein Sohn der Flamme, aus Feuer gezeugt.
    Als das Streichholz erlischt, entzündet er ein neues, hält einen Augenblick inne, um die kleine Glut zu betrachten, den beißenden Chemiegeruch zu atmen, und schließlich den süßen Duft von brennendem Holz.
    Das Wimmern der jämmerlichen Kreatur, die vor ihm kniet, reißt ihn aus seiner Träumerei, also hält er das Streichholz hoch und sucht im Dunkel nach der Öffnung im Dach. Er findet sie, weil die Flamme flackert, und dann schiebt er seine Opfergabe dorthin, platziert sie darunter, tritt zurück und lässt einen Moment verstreichen, damit sich Spannung, Aufregung und Erwartung zum natürlichen Crescendo in ihm aufbauen können.
    In der Ferne glaubt er den einsamen, schwermütigen Laut einer Zugpfeife zu hören, wie das uralte Echo einer verloren gegangenen Lokomotive. Endstation, denkt er. Letzter Halt vor der Hölle.
    Als er die Hände auf den Kopf der knienden Frau legt, achtet er darauf, dass die Flamme nicht mit dem Brennstoff in Berührung kommt. Die Geste ist geradezu zärtlich, wie eine Weihe in heiliger Zusammenkunft, doch es geht um etwas ganz anderes.
    Uralter Akt.
    Übertragung der Vergehen.
    Indem er der Opfergabe die Hände auflegt, überträgt er Sünde, Schuld und Schande eines ganzen Volks.
    Als das zweite Streichholz erlischt, reißt er ein neues an. Er tritt einen weiteren Schritt zurück und bereitet sich dar­auf vor, seine Opfergabe in Brand zu setzen, doch dann fällt ihm ein, dass der letzte Schliff fehlt, ein letzter Akt, der seinem Meisterstück Bedeutung verleiht.
    Er löscht das Streichholz mit Daumen und Zeigefinger, geht zu der Frau hinüber und nimmt ihr nacheinander bestimmte Kleidungsstücke und Accessoires ab. Als er fertig ist, tritt er wieder zurück, reißt ein neues Streichholz an, spricht ein Gebet und vollzieht seine Darbringung, indem er das brennende Streichholz auf die Opfergabe wirft.
    Der Funke springt über, Flammen schlagen in alle Richtungen und verschlingen die kniende Frau.
    Bald breiten sich Hitze und Licht in dem kleinen Raum aus, Wohlgefallen durchströmt den Sohn der Flamme, den eher innere als äußere Glut erröten lässt.
    Es dauert nicht lange, bis der Brennstoff aufgebraucht ist, bis das Feuer auf das Fleisch übergreift, und er sieht mit großer Befriedigung zu, wie Rauch von seiner Opfergabe zu den Dachsparren aufsteigt, durch den Spalt im baufälligen Dach und hinauf zum Himmel, ein Wohlgeruch vor Gott, der das Alles Verzehrende Feuer ist.
    Er möchte bleiben, seiner Gabe nahe sein, doch er muss gehen. Die Zeit seines Himmelsaufstiegs steht bevor.

2
    An dem Morgen, als Daniel Davis die Reste der verbrannten Leiche entdeckt, joggt er mit Ben Greene auf parallel verlaufenden Eisenbahngleisen im Herzen des North Florida Wildlife Preserve.
    Die Gleise, auf denen früher Kiefernholzspäne

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