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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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benutzt. Die Frau weiß nicht, was ihr mittlerweile entgeht: lockere, drehfreudige Hüften und eine feste, zugleich elastische Oberschenkelmuskulatur. Vielleicht sollte ich als Tischtenniscrack mit Tagesfreizeit annoncieren. Ladies, die dies wünschen, werden selbstverständlich mit dem Schläger bestraft. Gezählt wird bis 21.
    Ich bin übrigens gerade Gefangener einer Vietcong-Einheit, und meine einzige Chance auf Freiheit ist ein Sieg beim Ping Pong. Mein Gegner ist der Anführer der Horde, ein echtes Schlitzauge. Wir spielen auf einer Lichtung im Dschungel. Ohne T-Shirt und mit verbundenen Augen. Das Publikum ist gegen mich, darunter jede Menge Miezen mit Mandelaugen und Schweiß zwischen den Brüsten. Die schönste ist die Favoritin von dem Kerl, den ich demütigen werde. Womit? Mit einem Schläger, auf dem das Blut meiner Vorgänger klebt. Ich glaube an den Quantensprung, an die unmittelbare Verwandlung inmitten der größten Gefahr. Alles andere sind putzige Vorstellungen.
    Mit einer Frau auf dem Land leben, die Tantiemen fließen fleißig. Es ist ein Land mit sanften, grünen Hügeln, manchmal fahren wir in die nächste Stadt und machen einen drauf. Manchmal fahre ich auch allein. Außerdem haben wir ein Saturn-Jahr. Saturn steht für Ordnung, Disziplin, Schlagkraft.
    Ein Wunder passiert an diesem Freitagnachmittag. Ich schlage Pong. Ganz am Schluß. Zwei Stunden habe ich gebraucht, um warm, glücklich und geschmeidig zu werden. Als ich mein Leben akzeptiere, werde ich leicht, und alles läuft von selbst. Ich liege nicht viel vorn, aber ich liege vorn, 17   :   15 oder so. Diesmal verbeiße ich mich nicht. Ich spiele den Satz souverän und emotionslos nach Hause. Den nächsten auch. Polizeisirenen heulen, und als ich später über die Straße gehe, sehe ich einen Vogel, der in einem eisblauen Himmel seine Kreise zieht. Ich gestatte mir den Gedanken, noch mit hundert einen Schläger zu halten. Das Leben, wie soll ich sagen, es kommt vor, daß mich auf dem Weg zum Supermarkt der Wind erfaßt.

Luft und Liebe
    (Berlin – Zürich)
    W as erhoffst du dir davon? Gute Energie? Schlechte Energie? Oder eins auf die Schnauze?» Wer so sprach? Meine Freundin, vor etwa fünf Jahren. Es ging darum, daß ich ein eigenes Bett brauche. Wofür? Um darin zu schlafen. Allein? Ja, allein.
    Das stellte ihr die Haare auf, wie man in Österreich sagt. Dabei ist sie keine Österreicherin, sondern Serbin, was die Sache ungleich schwieriger macht. Niemand in ihrer Familie, niemand in ihrer Stadt, niemand in Serbien schläft allein, wenn er nicht alleine ist. Sie essen auch nicht allein, trinken nicht allein, sitzen nicht allein vor dem Fernseher, das Wort «allein» gibt es da wahrscheinlich gar nicht.
    Ich war einmal zu Besuch bei ihrer Familie. Das Haus ist klein, zwei Zimmer, eine Küche. In jedem Zimmer hielten sich durchgehend mindestens drei Menschen auf, in jedem Zimmer liefen zwei Fernseher, und alle redeten eigentlich immer. Schweigen gilt in Serbien als Vorstufe zur Depression. Ich muß wohl nicht erwähnen, daß es sehr, sehr freundliche, herzensgute Menschen sind. Trotzdem, nach drei Tagen war bei mir der Ofen aus. Flucht aus Belgrad. Natürlich haben sie das mißverstanden. Und erklären kann ich es ihnen nicht. Ich kann’s ja nicht einmal meiner Freundin erklären, die immerhin seit langem in Berlin lebt. Wieso willst du alleine schlafen? Weil ich Platz brauche, weil ich mit ausgebreiteten Armen im Bett liege, manchmal auch diagonal, manchmal quer, weil ich Beklemmungen, ja Panik spüre, wenn ich mich nicht bewegen kann. Alles gute Gründe, aber in ihren Ohren klangen sie böse. Du liebst mich nicht.
    Was ist Liebe? Ich verschiebe die Antwort auf diese Frage, denn ich fühle mich im Augenblick nicht wie jemand, der so was beantworten kann. Statt dessen ist es vielleicht sinnvoll, von meinem Zuhause zu erzählen, von meiner Kindheit. Ich war immer allein. Mein Vater arbeitete, meine Mutter arbeitete, es waren die fleißigen fünfziger Jahre. In dem Haus, in dem wir wohnten, gab’s unten eine Kneipe. Da aß ich. Und? War das schlimm? Im Gegenteil. Ich fand’s geil. Ich tat, was ich wollte, und ließ, was ich nicht wollte. Ich hatte Tag für Tag von neun Uhr morgens bis zehn Uhr abends hundertzwanzig Quadratmeter Altbau für mich. Zum Spielen, zum Spinnen, zum Träumen, auch zum Spannen. Durch das Küchenfenster konnte ich in die Nachbarwohnung sehen. Dort lebte eine junge Frau. Die Inhaberin eines

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