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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Unter dem Einfluß von Haschisch neigt man zu Paranoia. Ich stelle mir vor, wie die Schokolade den Darm blockiert, der Magen aufquillt, der Bauch zu einer Abrißbirne anschwillt. Jetzt habe ich endgültig alles falsch gemacht. Drittens: Ping führt 18 zu irgendwas. Ich spiele zwar weiter so, als sei ich bis zu den Achselhöhlen im Sumpf versackt, aber ich gewinne.
    Es geht nicht ums Gewinnen. Es geht um Spaß. Mir macht gewinnen Spaß. Ping verliert lieber. Weil Verlierer so sexy sind. Heute macht es mir keinen Spaß. Immerhin, ich habe eine Erkenntnis: Sonnensysteme explodieren, die Ameisenkönigin stirbt, Insekten reißen die Weltherrschaft an sich. Alles zweitrangig. Auch daß blinde Sänger weinen, interessiert hier nicht.
    Hier geht es um den Ball.
    Ein guter Tischtennisball ist Masochist, alles andere wäre für ihn eine Qual. Er freut sich über jeden Schlag. Könnte er reden, würde er sagen, daß Ping härter schlagen muß. Ping muß das Wort Schmetterball begreifen. Es gibt den Tischtennisball, und es gibt den Schmetterball. Und der Tischtennisball liebt den Schmetterball. Er sieht darin seine Transformation. Sein göttliches Wesen. Seine Unhaltbarkeit. Es gibt die Hauskatze, und es gibt den Löwen. Es gibt Kaffee, und es gibt Kokain. Es gibt Ping, und es gibt den Schmetterball.
    Nein, wir nehmen keine harten Drogen während des Spiels. Wir denken nur darüber nach: Tischtennis und Koks? Zwei Irre kloppen aufeinander ein. Tischtennis und Heroin? Wir in Zeitlupe und ein komplett beleidigter Ball. Tischtennis und LSD? Schmetterling statt Schmetterball. Wir denken sogar darüber nach, die Zirbeldrüse von Doc Sommer zu verspeisen oder Thai-Muschis zu engagieren, die auf Stühlen stehen und uns die Bälle auf die Platte schießen.
    Ich will verdammt noch mal ins Spiel zurückkommen. Das Spiel ist schwach. Ich habe Rückenprobleme. Der vierte Wirbel von unten. Rot ist der Hexenschuß, das ist Gelb. Die gelbe Karte des Körpers, keine Kondition und vom Alter her Seniorenliga. Um den Ball aufzuheben, gehe ich vorsichtig in die Knie und stemme mich vorsichtig wieder hoch. An der Platte bewege ich mich steif wie ein Stock. Und noch immer sexuelle Phantasien. Es ist keine Sturzflut pornographischer Bilder mehr, nur eine Szene. Aber die kommt immer und immer wieder. Obwohl ich nicht will, daß sie kommt. Sie schert sich einen Dreck darum. Sie kommt wie der Ball, und sie wird schneller als der Ball, und sie übernimmt total: Ich habe traumhaften Geschlechtsverkehr mit einer traumhaften Frau und muß gleichzeitig Tischtennis spielen. No problem, würde der Inder sagen. Beides geht im Stehen.
     
    Ping
    Ich glaube nicht mehr an treue Blondinen. Mittlerweile hat sie neunzig Prozent ihrer Sachen geholt. Als es erst vierzig Prozent waren, hatte ich noch Hoffnung. Irgendwo zwischen fünfundfünfzig und fünfundsiebzig Prozent bin ich eingebrochen, in allen Belangen. Es war der Tag, an dem der Strohhut und ihre Wimperntusche verschwanden. Aus dem Loch kam ich wieder raus. Ich entdeckte meine Vorhand. Und ich verbrachte die Nächte damit, im Bett zu sitzen und Energiestrahlen in ihre Richtung zu schicken. Energetischer Hausfriedensbruch. Ich wollte die beiden beim Ficken stören.
    Heute finde ich den letzten Brief von ihr auf dem Küchentisch. Guter Kompromiß. Brief an der Kühlschranktür hätte mich eventuell sentimental gemacht. Alle Liebenden heften ihre Botschaften an Kühlschranktüren. Sehr beliebt sind auch Badezimmerspiegel. Der Brief knickt mich. Nein, was mich knickt, ist die Erinnerung, die hochkommt, die Schmauchspur des Schmerzes. Und jetzt, während ich den Ball in der Hand halte, weil ich servieren muß, komme ich auf den Punkt. Jetzt, acht Monate später, macht es klick: Man sollte keinem Menschen, der freiwillig geht, länger als eine halbe Stunde nachweinen. Man sollte niemals glauben, man sei allein. Das Interessante an dieser Erkenntnis ist, daß sie unmittelbar Energie freisetzt. Damit serviere ich. Pong retourniert ansatzlos. Der Ball bewegt sich direkt auf mich zu, doch alles, was ich empfinde, ist das Mysterium unendlicher Ruhe. Der Punkt geht an mich. Die nächsten drei an Pong. Seine Bälle rasen grußlos an mir vorbei. Dann folgt ein Ballwechsel über neun, zehn Stationen. Spin, Topspin, Block, Sidespin, Netzroller.
    Trug ich jahrelang Handschellen?
    In der Nacht nach dem Spiel habe ich einen Traum. Eine Blondine fährt mich bei Sonnenaufgang in einem japanischen Sportwagen zum Flughafen. Der Wagen

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