Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
Vom Netzwerk:
förmlich um die Ohren.
    Sie wettert immer noch, obwohl ich nicht zugehört habe.
    Ich schalte meine Lauscher wieder ein.
    »… und was soll ich machen, wenn morgen früh Mrs Faulkner zum Frühstück rüberkommt, Ed? Soll ich ihr sagen, dass sie ihren Becher auf dem Boden abstellen kann?«
    »Sag einfach, dass es meine Schuld ist, Ma.«
    »Darauf kannst du Gift nehmen«, kläfft sie. »Ich sage ihr einfach, dass der verblödete Ed vergessen hat, meinen Beistelltisch abzuholen.«
    Der verblödete Ed.
    Ich hasse es, wenn sie mich so nennt.
    »Alles klar, Ma.«
    Sie macht noch eine Weile weiter und ich kehre in Gedanken wieder zu dem Karo-Ass zurück. Es schimmert in meiner Hand.
    Ich berühre es.
    Halte es.
    Ich lächle.
    Es an.
    Von dieser Karte geht eine Aura aus und sie ist mir zugedacht. Nicht dem verblödeten Ed. Mir - dem wahren
Ed Kennedy. Dem zukünftigen Ed Kennedy. Der nicht länger der hoffnungslose Verlierer ist, der nur Taxi fahren kann.
    Was werde ich damit machen?
    Wer werde ich sein?
    »Ed?«
    Keine Reaktion.
    Ich denke immer noch nach.
    »ED!«, brüllt meine Mutter.
    Mit einem Ruck kehre ich wieder zu unserem Gespräch zurück.
    »Hörst du mir zu?«
    »Klar... Klar, natürlich.«
    Edgar Street 45, Mitternacht… Harrison Avenue 13, 18 Uhr... Macedoni Street 6, 5.30 Uhr morgens...
    »Ma, es tut mir Leid«, sage ich. »Ich hab’s einfach verschwitzt - ich hatte heute eine Menge Kundschaft. Ich war die ganze Zeit in der Stadt unterwegs. Ich hole den Tisch morgen ab.«
    »Ganz bestimmt?«
    »Ganz bestimmt.«
    »Und du vergisst es nicht wieder?«
    »Nein.«
    »Gut. Also dann.«
    »Halt, warte!« Ich schieße meine Stimme durch das Telefon.
    Sie ist noch dran. »Was?«
    Es ist ein Kampf, die Worte aus meinem Mund zu bekommen, aber ich muss sie einfach fragen. Wegen der Karte. Ich habe beschlossen, dass ich jeden fragen werde, bei dem auch nur die entfernteste Möglichkeit besteht,
dass er es war, der sie mir geschickt hat. Da kann ich auch gleich mit meiner Mutter anfangen.
    »Was ist denn?«, fragt sie wieder, ein bisschen lauter jetzt.
    Ich lasse die Worte raus. Jedes einzelne zerrt und zieht an meinen Lippen, als kämpfe es darum, drin bleiben zu dürfen.
    »Hast du mir was mit der Post geschickt, Ma?«
    »Was sollte das denn sein?«
    Ich warte einen Moment. »Etwas Kleines...«
    » Was , Ed? Hör zu, ich habe wirklich keine Zeit für so was.«
    Also gut. Ich muss es sagen. »Eine Spielkarte - das Karo-Ass.«
    Stille am anderen Ende der Leitung. Sie überlegt.
    »Nun?«, dränge ich.
    »Was, nun?«
    »Warst du es? Hast du es mir geschickt?«
    Jetzt reicht es ihr, das merke ich genau. Ich habe das Gefühl, dass sie mit dem Arm durch die Leitung fährt, mir ihre Hand um die Kehle legt und mich schüttelt.
    »Natürlich war ich’s nicht !« Sie hört sich so an, als wollte sie sich für irgendetwas rächen. »Warum sollte ich mir die Mühe machen, dir eine Spielkarte zu schicken, noch dazu mit der Post? Wenn überhaupt, hätte ich dir’ne Erinnerung schicken sollen« - wieder erhebt sie ihre Stimme zu einem Brüllen - »MEINEN GOTTVERDAMMTEN BEISTELLTISCH ABZUHOLEN!«
    »Schon gut...«
    Wie schaffe ich es nur, so ruhig zu bleiben?
    Liegt es an der Karte?
    Ich weiß es nicht.

    Aber dann, ja... dann weiß ich es doch. Der Grund ist, dass ich immer so bin. Viel ruhiger, als gut für mich ist. Ich sollte der alten Kuh einfach sagen, dass sie die Klappe halten soll, aber das habe ich noch nie getan und das werde ich auch nie tun. Immerhin hat sie dieses besondere Verhältnis mit keinem anderen ihrer Kinder. Jedes Mal wenn meine Geschwister sie besuchen kommen, küsst sie ihnen die Füße, und dann verschwinden sie wieder. Bei mir weiß sie, was sie hat und dass es von Dauer ist.
    Ich sage: »In Ordnung, Ma. Ich wollte nur sichergehen, dass du es nicht warst. Das ist alles. Es kommt mir nur komisch vor, dass mir jemand so was mit der Post...«
    »Ed?«, unterbricht sie mich mit abgrundtiefer Langeweile in der Stimme.
    »Ja?«
    »Halt’s Maul, klar?«
    »Klar. Bis demnächst.«
    »Ja, ja.«
    Wir legen auf.
     
     
    Dieser verdammte Beistelltisch.
    Ich wusste, dass ich was vergessen hatte, als ich von der Arbeit nach Hause ging. Morgen wird die alte Mrs Faulkner bei meiner Mutter auftauchen und mit ihr über meine Heldentat von vor ein paar Tagen in der Bank schwatzen wollen. Alles, was sie zu hören kriegen wird, ist die Tatsache, dass ich vergessen habe, den Beistelltisch abzuholen. Ich bin mir übrigens

Weitere Kostenlose Bücher