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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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Motorrad. Eine Kawasaki irgendwas. Die Maschine ist schwarz und rot. Im Sommer fährt er meistens ohne Jacke und ohne Helm. Er konnte schon als kleines Kind Motorrad fahren. Er trägt weiße T-Shirts oder abgetragene Hemden, die er sich von seinem alten Herrn ausleiht.
    Wir starren ihn immer noch an.
    Das macht ihn nervös. Dann dreht er seinen Kopf zur Seite und Marv und ich tun es ihm gleich. Wir schauen Audrey an.
    »Also schön«, beginnt sie ihr Plädoyer, »ich muss zugeben, dass ich von uns der wahrscheinlichste Kandidat bin, dem so was Lächerliches einfallen könnte...«
    »Es ist nicht lächerlich«, sage ich. Fast kommt es mir so vor, als müsste ich die Karte verteidigen, als wäre sie ein Teil von mir.
    »Lässt du mich bitte ausreden?«
    Ich nicke.
    »Gut. Also, was ich damit sagen wollte: Ich war es nicht. Allerdings habe ich eine Theorie darüber, wie und warum die Karte in deinem Briefkasten gelandet ist.«
    Wir alle warten, während sie ihre Gedanken sammelt.
    »Es hat etwas mit dem Bankraub zu tun«, fährt sie fort. »Jemand hat in der Zeitung darüber gelesen und sich gedacht: Dieser Ed Kennedy sieht echt nett aus. Das ist genau der Typ, den unsere Stadt braucht.« Sie lächelt, wird aber sofort wieder ernst. »Bei jeder dieser Adressen wird etwas passieren, Ed, und du musst darauf reagieren.«
    Ich denke darüber nach und fasse einen Entschluss.
    Ich mache den Mund auf.
    »Nun, das ist aber doch nicht wirklich gut, oder?«
    »Warum nicht?«

    » Warum nicht? Was, wenn sich dort die Leute gegenseitig krankenhausreif prügeln und ich dazwischengehen und sie aufhalten muss? Das wäre in dieser Gegend ja wohl nicht gerade ungewöhnlich.«
    »Darauf musst du es ankommen lassen, würde ich sagen.« Ich denke an das erste Haus.
    Edgar Street 45.
    In einem Loch wie diesem kann nicht viel Gutes passieren, da bin ich mir ziemlich sicher.
     
     
    Den Rest des Abends schiebe ich die Gedanken an die Karte in den hintersten Winkel meines Kopfes und Marv gewinnt drei Spiele hintereinander. Und wie gewöhnlich reibt er uns diese Tatsache gehörig unter die Nase.
    Um ehrlich zu sein: Ich hasse es, wenn Marv gewinnt. Er verströmt so viel Häme und Schadenfreude. Ein richtiger Bastard, der dabei noch an seiner Zigarre schmaucht.
    Wie Ritchie lebt auch Marv noch zu Hause. Er arbeitet mit seinem Vater als Schreiner. Er arbeitet wirklich hart, aber er gibt nicht einen Cent von seinem verdienten Geld aus. Nicht mal für Zigarren. Die klaut er von seinem alten Herrn. Marv ist ein Meister im Hamstern. Der Prinz der Pfennigfuchser.
    Er hat dickes blondes Haar, das in dichten Büscheln von seinem Kopf absteht, trägt aus Bequemlichkeit uralte Jogginghosen und klimpert ständig mit seinen Schlüsseln in der Hosentasche. Er sieht immer so aus, als würde er insgeheim voller Sarkasmus über irgendetwas grinsen. Wir sind zusammen aufgewachsen, was der einzige Grund ist, warum wir befreundet sind. Allerdings hat er einen ziemlich großen Bekanntenkreis, und zwar aus zwei Gründen. Zum
einen spielt er Football und kennt daher eine Menge Leute. Zum anderen benimmt er sich pausenlos wie ein Idiot. Ist dir mal aufgefallen, dass Idioten meistens viele Freunde haben?
    Nur mal so am Rande.
     
     
    Das alles hilft mir allerdings nicht weiter. Über Marv herzuziehen, löst mein Karo-Ass-Problem auch nicht.
    Ich kann der Karte nicht aus dem Weg gehen, auch wenn ich es versuche.
    Sie kriecht ständig wieder an meine Seite und pocht darauf, dass ich sie beachte.
    Ich fasse mir ein Herz.
    Ich sage zu mir.
    »Ed, mein Freund, du solltest bald anfangen. Edgar Street 45. Mitternacht.«
     
     
    Es ist Mittwochabend. Spät.
    Ich sitze mit dem Türsteher auf der Veranda vor dem Haus und der Mond beugt sich über mich.
    Audrey kommt vorbei, und ich erzähle ihr, dass ich morgen Abend anfange. Es ist eine Lüge. Ich schaue sie an und wünsche mir, dass wir reingehen und uns auf dem Sofa lieben könnten.
    Ineinander tauchen.
    Einander nehmen.
    Einander erschaffen.
    Aber nichts passiert.
    Wir sitzen da, trinken irgendein billiges, süßes Mix-Getränk mit Alkohol, das sie mitgebracht hat, und ich reibe meine Füße am Türsteher.

    Ich liebe Audreys sehnige Beine. Ich betrachte sie eine Zeit lang.
    Sie schaut den Mond an, der mitten im Himmel hängt. Er ist höher hinaufgeklettert, beugt sich nicht mehr nieder. Erhaben.
    Was mich angeht, nun, ich halte wieder die Karte in meiner Hand. Ich lese die Adresse und mache mich bereit.
    Man weiß nie ,

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