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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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sage ich zu mir, eines Tages werden ein paar auserwählte Leute vielleicht sagen: Stimmt, mit neunzehn stand Dylan am Anfang seiner Karriere. Dalí war kurz davor, als Genie anerkannt zu werden, und Johanna von Orléans wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil sie die wichtigste Frau auf der Welt war… Und mit neunzehn fand Ed Kennedy die erste Spielkarte im Briefkasten.
    Als der Gedanke vergangen ist, schaue ich Audrey an, den weiß glühenden Mond und den Türsteher, und ich frage mich, wem ich eigentlich etwas vormachen will.

4
    Der Richter und der Spiegel
    Die nächste nette Überraschung, die mich erwartet, ist eine hübsch ordentliche Vorladung. Ich muss zum Amtsgericht und meine Version der Ereignisse beim Bankraub erzählen. So bald hatte ich nicht damit gerechnet.
    Der Termin ist um halb drei nachmittags. Am besten verkürze ich meine Schicht und fahre mit dem Taxi in die Stadt, zum Gerichtsgebäude.

    Als der besagte Tag gekommen ist, tauche ich in meiner Taxiuniform auf und muss vor dem Gerichtssaal warten. Als ich hineingehen und meine Aussage machen soll, habe ich das Gefühl, dass der ganze Saal vor mir ausgebreitet daliegt. Die erste Person, die ich erblicke, ist der Bankräuber. Ohne Skimaske ist er sogar noch hässlicher. Und er sieht auch noch wütender aus. Ich nehme an, dass die Untersuchungshaft daran schuld ist. Der jämmerliche und glücklose Ausdruck in seinen Augen ist verschwunden.
    Er trägt einen Anzug.
    Einen billigen Anzug. Er versinkt fast darin.
    Als er mich sieht, schaue ich sofort weg, weil seine Augen versuchen, mich mit Blitzen niederzustrecken.
    Ein bisschen spät dafür , denke ich, aber nur weil er da unten sitzt und ich hier oben, in der Sicherheit des Zeugenstandes.
    Der Richter begrüßt mich.
    »Nun, wie ich sehe, haben Sie sich heute fein gemacht, Mr Kennedy.«
    Ich schaue an mir herab. »Vielen Dank.«
    »Das war ironisch gemeint.«
    »Ich weiß.«
    »Jetzt werden Sie mal nicht frech.«
    »Nein, Sir.«
    Ich merke, dass der Richter das starke Verlangen hat, mich ebenfalls auf die Anklagebank zu setzen.
     
     
    Die Anwälte stellen mir Fragen und ich beantworte sie wahrheitsgemäß.
    »Also, dies ist der Mann, der die Bank überfallen hat, richtig?«, werde ich gefragt.

    »Ja.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Absolut.«
    »Aber sagen Sie mal, Mr Kennedy, wie können Sie sich da so sicher sein?«
    »Weil ich diese hässliche Visage überall wiedererkennen würde. Außerdem ist es derselbe Mann, den man in Handschellen abgeführt hat - ohne Maske.«
    Der Anwalt betrachtet mich geringschätzig. »Tut mir Leid, Mr Kennedy, aber wir müssen diese Fragen stellen, um sicherzugehen, dass alles seine Ordnung hat.«
    Ich nicke. »Schon gut.«
    Jetzt schaltet sich der Richter ein. »Und was die hässliche Visage betrifft, Mr Kennedy, möchte ich Sie bitten, von solchen Äußerungen Abstand zu nehmen. Sie sind sich hoffentlich darüber im Klaren, dass Sie selbst auch kein Adonis sind, nicht wahr?«
    »Herzlichen Dank auch.«
    »Gern geschehen«, lächelt er. »Und jetzt beantworten Sie bitte die Fragen.«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Vielen Dank.«
     
     
    Als ich fertig bin, gehe ich an dem Bankräuber vorbei, und der sagt: »He, Kennedy!«
    Beachte ihn gar nicht , sage ich mir, aber ich kann nicht anders.
    Ich bleibe stehen und schaue ihn an. Sein Anwalt beschwört ihn, den Mund zu halten. Er hört nicht auf ihn.
    Leise sagt er: »Du bist ein toter Mann. Wart’s nur ab...« Seine Worte attackieren mich flüsternd. »Denk dran, was
ich dir gesagt habe. Denk jeden Tag daran, wenn du in den Spiegel schaust.« Er verkneift sich ein Grinsen. »Ein toter Mann.«
    Ich täusche vor.
    Haltung zu bewahren.
    Ich nicke und sage: »Alles klar«, und gehe weiter.
    Lieber Gott , bete ich, mach, dass er lebenslänglich kriegt!
     
    Die Türen des Gerichtssaals schließen sich hinter mir, und ich gehe hinaus ins Foyer, das in Sonnenlicht badet.
    Eine Polizistin ruft mir nach und sagt: »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen.« Sie hat gut reden.
    »Am liebsten würde ich die Stadt verlassen«, sage ich zu ihr.
    »Hören Sie zu«, sagt sie. Sie gefällt mir. Sie ist klein und stämmig und sieht niedlich aus. »Wenn dieser Kerl irgendwann wieder aus dem Knast rauskommt, wird er garantiert nie mehr wieder hineinwollen.« Sie denkt kurz nach und kommt dann zu dem Schluss, dass ihre Einschätzung richtig ist. »Manche Leute werden im Gefängnis hart.« Sie nickt mit dem Kopf in Richtung des Gerichtssaals.

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